GB_06.2022

24 06 / 2022 Haftungsrisiken beimNachunternehmer- Einsatz „Lieber würde ich die Aufträge mit meinen eigenen Mitarbeitern abwickeln,“ so Klaus M., Geschäftsführer eines mittelständischen Gerüstbauunternehmens, „aber ich finde einfach nicht genug Mitarbeiter. Also bleibt mir nur der Einsatz von Nachunternehmern, auch wenn ich dabei nicht immer ein gutes Gefühl habe.“ So wie diesem Betrieb geht es in Deutschland vielen Gerüstbauunternehmen. Der Fachkräftemangel ist in Deutschland zu einem Problem geworden, das für viele Unternehmen zunehmend herausfordernd wird. Der Ausweg: Nachunternehmer*innen. Aber: Welche Risiken entstehen daraus? Haftung für Sozialversicherungsbeiträge Unternehmer*innen des Baugewerbes, die andere Unternehmer*innen mit der Erbringung von Bauleistungen beauftragen, haften für die Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen dieser Unternehmer*innen. So sieht es das Sozialgesetzbuch vor. Voraussetzung ist, dass der Gesamtwert der in Auftrag gegebenen Leistungen den Betrag von 275 T€ übersteigt. Hierbei sind alle mit einem Bauwerk zusammenhängenden Arbeiten sämtlicher Gewerke zusammenzurechnen, also nicht nur der Auftragswert des Gerüstbauunternehmens. Die für den Beitragseinzug zuständige Krankenkasse oder Berufsgenossenschaft kann sich zur Erhebung der Sozialversicherungsbeiträge allerdings nicht direkt an den/die Auftraggeber*in wenden. Sie muss zuvor den/die eigentliche/n Beitragsschuldner*in, den/die Nachunternehmer*in, in Anspruch nehmen und mindestens abmahnen. Erst nach Ablauf der Mahnfrist kann der/ die Auftraggeber*in in Anspruch genommen werden. Für Auftraggeber*innen entfällt die Haftung für die Sozialversicherungsbeiträge, wenn sie nachweisen, dass sie ohne eigenes Verschulden davon ausgehen konnten, dass der/die Nachunternehmer*in seine/ihre Zahlungspflicht erfüllt. Dies ist immer dann der Fall, wenn • der/die Nachunternehmer*in eine Präqualifikation nach der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen nachweist, oder • der/die Nachunternehmer*in Unbedenklichkeitsbescheinigungen (UB) der Einzugsstellen (Krankenkasse und Berufsgenossenschaft) vorlegt. Diese Unbedenklichkeitsbescheinigungen bestätigen die ordnungsgemäße Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge sowie die Zahl der gemeldeten Beschäftigten. In der UB der Berufsgenossenschaft werden zusätzlich die eingetragenen Unternehmensteile und die auf diese entfallenden Lohnsummen bescheinigt. Haftung für Urlaubskassenbeiträge und den Mindestlohn Die Haftung für die Urlaubskassenbeiträge ist hingegen verschuldensunabhängig: Ein/e Unternehmer*in haftet nach § 13 des Mindestlohngesetzes und nach § 14 des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes, wenn der/die von ihm/ihr beauftragte Nachunternehmer*in die Mindestarbeitsbedingungen nicht gewährt. Zu den Mindestarbeitsbedingungen gehören u. a. der gesetzliche und der tarifliche Mindestlohn und die Teilnahme am Urlaubskassenverfahren. Die SOKA GERÜSTBAU kann sich daher an den/die Auftraggeber*in wenden, um ihren Anspruch auf den Urlaubskassenbeitrag durchzusetzen. Dies gilt auch, wenn Nachunternehmer*innen weitere Nachunternehmer*innen einsetzen (sogenannte Nachunternehmerketten). Diese Nachunternehmerhaftung gilt unabhängig davon, ob es sich um Nachunternehmer*innen mit Sitz im Inland oder um Betriebe mit Sitz im Ausland handelt, die ihre Arbeitnehmer*innen auf Baustellen in Deutschland einsetzen. Ebenso gilt, dass sich Arbeitnehmer*innen von Nachunternehmer*innen, die von diesen nicht den Mindestlohn erhalten, zur Durchsetzung ihres Anspruchs an den/die Hauptunternehmer*in wenden können. Sozialversicherung Sozialkasse / Mindestarbeits- bedingungen Verschuldensabhängigkeit Verschuldensunabhängigkeit Haftung erst ab bestimmter Grenze der Bautätigkeit Generell keine Betragsabhängigkeit Exkulpation möglich Exkulpation nicht möglich Nur zwischen Unternehmer und unmittelbarem Nachunternehmer Gesamte Nachunternehmerkette Wesentliche Unterschiede zwischen der Haftung für Sozialversicherungs- und Urlaubskassenbeiträgen bei Nachunternehmerverträgen Was kann das Unternehmen zur Risikoreduzierung tun? Da Auftraggeber*innen im Hinblick auf die Mindestarbeitsbedingungen verschuldensunabhängig haften, können sie das Risiko der Haftung nicht gänzlich ausschließen, aber verringern. Dazu bieten sich – neben der sorgfältigen Auswahl von Nachunternehmer*innen – verschiedene Maßnahmen an, unter anderem: • Die Vorlage der Unbedenklichkeitsbescheinigungen (UB) des/ der Nachunternehmer*in vor dem Vertragsabschluss und laufend während der Laufzeit des Werkvertrages. • Regelmäßige Nachweise über die Einhaltung der zwingenden Arbeitsbedingungen vereinbaren, z. B. Lohnlisten, Erklärungen von Arbeitnehmer*innen über die Zahlung von Mindestlöhnen und der Urlaubsvergütung. SOKA

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