DER GERÜSTBAUER 01.2021
14 01.2021 Gemeinwohl-Ökonomie statt Gewinnmaximierung Die Botschaft: Profit ja, aber nicht auf Kosten der nachfolgenden Generation. Gemeinhardt Service ist seit 2020 gemeinwohl-zertifiziert. Die Gemeinhardt Service GmbH ist seit Oktober 2020 ge- meinwohl-zertifiziert. „Sicherlich muss ein gesundes Un- ternehmen einen wirtschaftlichen Gewinn erzielen, um handlungsfähig zu bleiben“, sagt Geschäftsführer Walter Stuber, „doch nicht um jeden Preis“. Vielmehr steht für den Sondergerüstbauer das Wohl von Menschen und Um- welt an erster Stelle desWirtschaftens. Das bestätigt auch Geschäftsführungs-Kollege Dirk Eckart: „Wir wollen die begrenzten Ressourcen schonen, denn letztlich wollen wir unseren Kindern doch eine bessere Welt hinterlassen.“ Als christlich geprägter Unternehmer hat Walter Stuber schon seit langem beispielsweise den Arbeitsschutz für seine 42 Mitarbeiter im Blick. Rund 150.000 Euro gibt der Betrieb für die Weiterbil- dung aus. Obligatorisch ist etwa die jährlich Höhenrettungsschu- lung oder die komplette Persönliche Schutzausrüstung (PSA), auf deren konsequente Nutzung die Führungskräfte bestehen. Doch in den Arbeitsverträgen soll künftig auch explizit Gesundheits- schutz vorkommen und praktisch umgesetzt werden. Deshalb werden etwa Rückenschulungen angeboten oder wird es in den Gemeinhardt-Büros Kochgelegenheiten geben, damit die Mitar- beiter immer weniger auf zuckerhaltiges Fastfood ausweichen müssen. Die Gemeinwohl-Ökonomie (GWÖ) hat sich der Österreicher Christian Felber vor rund zehn Jahren ausgedacht zusammen mit zwölf Unternehmern, die nicht mehr an ein „höher, schnel- ler, weiter“ glauben, sondern ein alternatives Wirtschaftsmodell entwickeln wollten, ein ethisches wirtschaftliches Handeln. „Es kann doch nicht sein, dass die Massentierhaltung großer Agrar- betriebe subventioniert wird und sie zudem bei den Banken eine Triple-A-Bewertung bekommt“, echauffiert sich Wilfried Knorr mit einer gehörigen Wut im Bauch. Die Nahrungsbeschaffung, die Belastung durch Methan oder die riesigen Mengen an Gül- le würden dagegen überhaupt nicht bewertet, ganz abgesehen von dem oft problematischen Umgang mit den Tieren. Dagegen erhielten Bauern, die Rinder oder Schweine verantwortlich be- handeln, kaum Subventionen und auch um ihre Kreditwürdig- keit ist es nicht gut bestellt. „Das ist politisch zu kurz gedacht und falsch gesteuert“, findet der Geschäftsführer der Diakonie Herzogsägmühle im bayrischen Peiting und einer der deutschen GWÖ-Sprecher. Vier Werte vertritt die Gemeinwohl-Ökonomie, nämlich Men- schenwürde, soziale Gerechtigkeit, ökologische Nachhaltigkeit sowie Transparenz und demokratische Beteiligung. Die werden auf fünf Personengruppen bezogen: Eigentümer, Lieferanten, Kunden, Mitarbeiter und das gesellschaftliche Umfeld. So ergibt sich für die ausgebildeten und zertifizierten Auditoren ein Raster mit 20 Feldern. Rund 15 Monate dauert der intensive Prozess in den Unternehmen. Denn Walter Stuber und Dirk Eckart mussten wie die anderen rund 600 weltweit zertifizierten Unternehmen feststellen, wie verzweigt und komplex ihre Firma letztlich durch die vielen Kontakte ist. Das gehört übrigens zur Grundidee der GWÖ, dass die zertifizierten Firmen wiederum Einfluss auf ihre Lieferanten, Kunden und Mitarbeiter nehmen. Durch den Zer- tifizierungsprozess ergeben sich zudem etliche weiterführende Überlegungen. Der Gemeinhardt-Auditor weiß: „Von der ersten Zertifizierung zur zweiten machen die Unternehmen in der Regel nochmals einen großen Sprung.“ Die Auszeichnung gilt für zwei Jahre und muss dann wiederholt werden. Der Sondergerüstbauer aus dem sächsischen Roßwein landete als „Anfänger“ mit 377 Punkten bereits im gehobenen Mittelfeld. Beeindruckt war der Berliner beispielsweise, dass Gemeinhardt als kleiner Mittelständler mit 42 Mitarbeitern das EFQM-Modell umsetzt. Das Qualitätsmanagementsystem wurde Ende der 80er Jahre für Industriekonzerne entwickelt, um kontinuierlich Ver- besserungspotentiale zu entdecken. „Innovation ist sicherlich ein Leitmotiv der beiden Unternehmer“, stellte der Auditor immer wieder fest. Dabei kann Gemeinhardt als Gerüstbauer nie ein besonders „grünes Unternehmen“ werden. Allein die Herstellung der Stahl- gerüste ist immens energieintensiv. Und der Einfluss des kleinen Handwerksbetriebes gegenüber den erheblich größeren Zuliefe- UNTERNEHMENSFÜHRUNG Walter Stuber (links) und Dirk Eckart, Geschäftsführung Gemeinhardt Service GmbH
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy MjY5NTE=