DER GERÜSTBAUER 01.2021
7 01.2021 Höhenraster von z. B. 1,50 Meter ohne Zwischenstufen eine Po- desthöhe von 4,0 Meter zu erreichen. Das gilt übrigens auch bei einem Höhenraster von 2,0 Meter, wenn die Geschoßhöhe, genau wie die Podesthöhe, 3,50 Meter beträgt. Hier ist eine fachgerechte Planung im Vorfeld zwin- gend erforderlich. Auch die zug- und druckfeste Anbindung der Flucht- und Ret- tungstürme in Gerüstbauweise an das Bestandsbauwerk mit ge- rüstbautypischen Systemankern sollte dabei nicht unterschätzt werden. Wie in Abb. 2 zu erkennen ist, liegt allein infolge der Treppenmindestbreite und der daraus resultierenden baulich möglichen Umsetzung mit Systemteilen der Abstand der Gerüst- außenscheibe zur Anschlusswand des Bestandbauwerkes bei ca. 5,80 bis 6,00 Meter. Wird der Treppenturm nun parallel zur Fassade durch Wind belastet und berücksichtigt man dabei den nach DIN anzuset- zenden Völligkeitsgrad von ℓ = 0,60 bei einem unverkleidetem Treppenturm, dann kann man sich schnell vorstellen, dass die Stabilsierierungslasten und die daraus resultierenden Ankerlas- ten nur infolge von Wind ordentlich sind. Hier sind schnell Ankerlasten von 8,0 bis 12,0 kN abzuleiten. Das stellt im Regelfall auf der Gerüstseite durch die Anwendung von z. B. V-Ankern und einem knotennahen Anschluß des Sys- temankers (e < 0,15 m) kein Problem dar. Auf der Dübelseite allerdings ist hier ein auf den Untergrund abgestimmter Dübel zu verwenden, der oft nichts mit dem Standard-Kunststoffdübel zu tun hat. Der Gerüstaufsteller ist auch gut beraten, im Rahmen seiner Hinweispflicht dem Auftraggeber bei Planungsbeginn mitzu- teilen, dass Gründungs- und Baubestandsnachweise nach DIN EN 18451 bauseitig zu leisten sind, um Irritationen oder Ver- zögerungen zu vermeiden. Zum einen ergibt sich das aus der technischen Notwendigkeit zur Gewährleistung der Standsicherheit, zum anderen sind Flucht- und Rettungswege je nach Deklaration (Einstufung und Standort) baugenehmigungspflichtig. Somit gehören Gründungs- und Bau- bestandsnachweise automatisch zu den notwendigen Unterlagen zur Baufreigabe. Diese Planungsleistung gehört nicht zum Leistungsumfang des Gerüstaufstellers, auch nicht bei dieser Art von Kunstbauten und kann in der Regel auch nicht von diesem geleistet werden, da ein Nachweis im Bereich der Gründung (je nach Untergrund) ohne Bodengutachten oft gar nicht oder nur mit hohem Aufwand zu erbringen ist. Was wissen wir als Gerüstaufsteller außer der visu- ellen Wahrnehmung tatsächlich über den Untergrund oder den Baubestand? Zusammenfassend ist anzumerken, dass wenn dem Gerüst- aufsteller diese Feinheiten im Vorfeld bekannt sind, und diese mit dem Kunden nachvollziehbar abgestimmt werden, die genann- ten Anforderungen für den Gerüstaufsteller kein echtes Problem darstellen. Die von den Gerüstherstellern bereitgestellten System- bauteile sind in der Regel für den Einsatzfall geometrisch konzi- piert und – was das Einzelteil betrifft – für die maximal mögliche Belastung üblicherweise nachgewiesen. Ein prüffähiger Standsicherheitsnachweis bzw. eine prüffähige Ausführungsplanung im Rahmen des vertraglichen Leistungs- umfanges für die komplette Konstruktion ist allerdings notwendig und vom Gerüstaufsteller zu leisten bzw. anzubieten. Aus Gerüstmaterial kann man so einige Kunstbauten im tem- porären Bereich erstellen. Man sollte aber immer die genaue Einstufung der Konstruktionen hinterfragen, um den tatsächlich gültigen Bemessungs- und Bewertungskriterien bzw. den zusätz- lichen Anforderungen zu entsprechen. TECHNIK Heiko Tomshöfer , geboren 1970, ist Stahlbauingenieur, Schweißfachingeni- eur, Korrosionsschutzbeauftragter und Honorardozent an der HWK Dortmund. Seit 1998 liegt sein Aufgabenschwerpunkt bei Sonderkonstruktionen in den Berei- chen Traggerüstbau, Stahlbau und Misch- konstruktionen aus Arbeits- und Schutzgerüsten in Kom- bination mit Traggerüstelementen. 2016 gründete er das In- genieurbüro Tomshöfer & Partner mit dem Motto „Aus der Praxis für die Praxis“. Das Dienstleistungsangebot hat den Schwerpunkt Statik und Konstruktion in allen Bereichen des Gerüstbaues inklusive Beratung, Schulung und der Möglich- keit, Sonderteile wirtschaftlich sinnvoll herzustellen. Tomshöfer + Partner • Dipl.-Ing. Heiko Tomshöfer Zur Burkuhle 5 • D-44791 Bochum • Tel. +49 234 5880733 info@ingenieure-am-werk.de • www.ingenieure-am-werk.de
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