20 01 / 2025 Endlich Transparenz im Lager App von Stocadro verschafft Gerüstbauunternehmen Übersicht „Der Gerüstbau ist eine Kreislaufwirtschaft“, sagt Frank Schimmer. „Die Gerüste werden beim Kunden aufgebaut. Dann stehen sie Tage, Wochen und Monate, um dann wieder auf den eigenen Hof zu kommen. Wenn wir Gerüstbauer ehrlich sind, ist wenig transparent, wo unser Material gerade ist, wann es zurückkommt und wie viel im Lager ist“, so die selbstkritische Einschätzung des Inhabers der Gerüstbau Fr. Schimmer GmbH. Selbst nach einer Inventur hätten Betriebe des Gewerkes keinen genauen Überblick, weil sich immer viel Material auf den Baustellen befindet. Betriebswirtschaftlich ist das für ein Unternehmen kaum haltbar. Noch viel schlimmer findet Schimmer: „In der Planung fehlt der Überblick. Während der eine Bauleiter sein Gerüst plant und im Lager feststellt, dass alle notwendigen Teile vorhanden sind, die in vier Wochen auf die Baustelle müssen, holt dazwischen ein anderer Bauleiter für seine aktuelle Baustelle vorgesehenes Material aus dem Lager. Es gibt bisher keine Planung oder Reservierung. Das belastet die Produktivität, denn entweder muss nun umgeplant, neues Material teuer eingekauft werden oder der Kunde muss gar warten.“ Deswegen tat sich der Bau- und Wirtschaftsingenieur aus dem hessischen Weiterstadt vor zwei Jahren mit Johannes King zusammen, um Lager in der Baubranche zu digitalisieren. Der Leipziger Astrophysiker setzt seit Jahren seine IT-Kenntnisse für Prozesse und Materialfluss in der Logistik ein. „Logistik im Handel oder der Produktion ist vergleichsweise einfach, weil Material und Waren lediglich rausgehen. Im Gerüstbau wird durch die Rücklieferung von Baustellen alles viel schwieriger“, sagt King, der im Juni 2023 mit seinem Partner Christian Lehner das Startup Stocadro gründete. Dass genau die Rückgabe von Gerüstteilen das entscheidende Problem für das Gewerk ist, weiß Lehner, der mehr als zehn Jahre in der Logistik der Veranstaltungsbranche beschäftigt war und deshalb die Herausforderungen aus eigener Erfahrung kennt. Denn während die Ausgabe noch strukturiert, durchgezählt und zumindest auf einem Zettel dokumentiert funktioniert, verläuft die Rückgabe meist chaotisch. Oft wird schon auf der Baustelle alles auf die Schnelle zusammengepackt, dann steht auch noch das Lager unter Zeitdruck. Es wird grob gezählt, schnell geschaut, ob Teile defekt oder sehr verdreckt sind. Für den Abgleich mit dem Ausgabezettel bleibt kaum Zeit. Und für Konsequenzen bei Abweichungen schon gar nicht. Walter Stuber und Dirk Eckart, Inhaber von Gemeinhardt Service schätzen den jährlichen Materialverlust in der Branche auf drei bis fünf Prozent. Bei ihrem Lagerbestand von rund zehn Millionen Euro wären das 300.000 bis 500.000 Euro pro Jahr, die gestohlen werden oder irgendwie der Baustelle verloren gehen. Angesichts der guten Konjunktur und solider Rohstoffpreise konnte die Branche das bisher verkraften. Doch in den vergangenen Jahren schwächelt die Auftragslage und die Materialpreise steigen. „Fünf Prozent Schwund ist noch konservativ geschätzt“, kommentiert Schimmer. Würden Gerüstbauunternehmen ihr Lager digitalisieren, könnten sie genau sagen, bei welchen Kolonnenführer*innen oder Kund*innen welches Material verloren geht. Mitarbeiter*innen können angehalten werden, besser auf das Material zu achten. Bei Kund*innen kann verlorenes Material in Rechnung gestellt werden. Und wahrscheinlich kann gestohlenes Material sogar steuerlich abgeschrieben werden, vermutet Schimmer. Ein anderer Aspekt der Digitalisierung: Mit der höheren Transparenz kann die Auslastung des Materials genau festgeUNTERNEHMENSFÜHRUNG Frank Schimmer, Gerüstbau Fr. Schimmer GmbH Johannes King, Start-up Stocadro Walter Stuber, Gemeinhardt Service GmbH Foto: Gemeinhardt Service GmbH
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