GB_06.2025

20 06 / 2025 abgerufen oder der Verzug auf andere Weise beendet wird, z. B. durch Kündigung, entfällt der Anspruch auf Entschädigung nach § 642 BGB. Sodann sind bei Bemessung der Anspruchshöhe ersparte Aufwendungen und eine anderweitige Einsatzmöglichkeit der „freigewordenen“ Leistung zu berücksichtigen. Diese Punkte führen in der rechtlichen Auseinandersetzung mit der Auftraggeberseite häufig zu Meinungsverschiedenheiten. Komplikationen können insbesondere im Zusammenhang mit verzugsbedingten Personalkosten auftreten. Denn hier ist seitens des Gerüstbaubetriebs im Einzelnen darzulegen und nachzuweisen, wie lange der Personalausfall infolge der unterlassenen Mitwirkungshandlung andauerte und weshalb das betroffene Personal nicht in anderen Aufträgen eingesetzt werden konnte. Angesichts einer allgemeinen Vermutung der Vollauslastung des Handwerks werden daran hohe Anforderungen gestellt. Anzurechnen sind bei Berechnung der Entschädigung außerdem ersparte Aufwendungen, z. B. in Form von Geräte-, Material- oder Verwaltungskosten, die infolge der unterbliebenen Ausführung nicht mehr entstanden sind. Praktisch relevante Besonderheiten sind auch im Falle des verzugsbedingten Vorhaltens von Gerüstmaterial zu beachten. Ausgehend von den vertraglichen Einheitspreisen können Gerüst- baubetriebe hier die tatsächlichen Vorhaltungskosten geltend machen, die Ihnen während des Annahmeverzugs entstehen. Dies setzt im Streitfall den konkreten Nachweis der Kostenfaktoren voraus, sodass für die Auftraggeberseite nachvollziehbar dargelegt werden kann, aus welchen Faktoren sich der vertragliche Einheitspreis zur Gebrauchsüberlassung zusammensetzt und welcher Kostenanteil dementsprechend für die verzugsbedingte Vorhaltung des Materials beansprucht wird. Nicht selten kommt es vor, dass Betriebe als Einheitspreis für die Gebrauchsüberlassung lediglich die reinen Vorhaltungskosten kalkuliert haben, ohne dass weitere Kostenfaktoren wie anteilige Personal- oder Verwaltungskosten in die Einheitspreise aufgenommen wurden. Die Begründung der Verzugskosten kann in diesem Fall durch Vorlage der Kalkulationsnachweise untermauert werden. Der Kalkulations- und Kostennachweis kann im Falle öffentlicher Bauaufträge problemlos über die üblichen Formblätter der Vergabehandbücher (Formblatt 223) erfolgen. Praxisrelevant ist im Zusammenhang mit beanspruchten Vorhaltungskosten außerdem das Streitthema der anderweitigen Verwendbarkeit von Gerüstmaterial. Hier berufen sich Auftraggeber häufig darauf, für den Gerüstbaubetrieb habe angesichts der verschobenen Ausführung die Möglichkeit bestanden, das Material in der Zwischenzeit auf anderen Baustellen einzusetzen und hierdurch Kosten zu senken. Dem lässt sich entgegnen, dass die Umstände es häufig nicht zulassen, Gerüstmaterial risikolos anderweitig einzusetzen, weil es dann zu Schwierigkeiten kommt, wenn das Material mit Wegfall des Verzugs nicht wieder verfügbar ist. Wie so häufig spielen bei der Beurteilung des Entschädigungsanspruchs nach § 642 BGB die konkreten Umstände des Einzelfalls eine Rolle, insbesondere die Dauer des Verzugs und der Materialvorhaltung, die Menge des betreffenden Materials und nicht zuletzt das Verhalten der Parteien selbst: Ein Auftraggeber, welcher immer wieder kurz bevorstehende Ausführungstermine in Aussicht stellt, die dann nicht eingehalten werden, macht es dem Betrieb schwer, sich hierauf einzustellen und Material zwischenzeitlich anderweitig einzusetzen. Hingegen verhält sich ein Gerüstbaubetrieb, der den Auftraggeber schon in der Behinderungsanzeige drauf hinweist, dass verzugsbedingt Material vorgehalten wird, kooperativ und transparent, was sich vorteilhaft auf die spätere Durchsetzung des Entschädigungsanspruchs auswirken kann. Fazit Der verspätete Abruf von Gerüstbauleistungen stellt eine praxisrelevante Problemsituation dar. Gerüstbaubetriebe sind hier allerdings nicht schutzlos den Schwankungen des Bauvorhabens ausgesetzt, sondern können unter den Voraussetzungen des § 642 BGB die entstehenden Kosten geltend machen. Wichtig ist dabei zunächst, auf die richtigen Prozessschritte zu achten, was vor allem ein rechtzeitiges verzugsbegründendes Angebot bzw. eine Behinderungsanzeige umfasst. Die Berechnung und Durchsetzung des Entschädigungsanspruchs hängt außerdem von einer nachvollziehbaren Darlegung der Verzugskosten des Gerüstbaubetriebs ab, hier helfen Kenntnis und Nachweisbarkeit der Preiskalkulation. Geht es um die rechtliche Durchsetzung des Entschädigungsanspruchs, kommt es neben dem Bestehen der eigentlichen Anspruchsvoraussetzungen häufig auf die Begleitumstände des Vertragsverhältnisses an. Deshalb sollten sich Gerüstbaubetriebe auch in Fällen von Bauzeitenverschiebungen durch die richtige Kommunikation mit der Auftraggeberseite frühzeitig taktisch positionieren. RECHT Kanzlei Barth Riehler Straße 24 • D-50668 Köln Tel. +49 221 42342452 info@barth-kanzlei.de • www.barth-kanzlei.de

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