a.g.bau_01.2023

Wann ist eine E-Mail zugegangen? Der BGH hat entschieden, dass eine E-Mail im unternehmerischen Geschäftsverkehr in dem Zeitpunkt zugegangen ist, wenn sie auf dem Mailserver des/der Empfänger*in abrufbereit zur Verfügung gestellt wird. Dass die E-Mail tatsächlich abgerufen und gelesen wird, ist für den Zugang hingegen nicht erforderlich. Anders hatte dies zuletzt das OLG Hamm gesehen. Doch auch nach dem BGH-Urteil bleiben wichtige Rechtsfragen offen. Die Frage, wann eine Willenserklärung dem/ der Empfänger*in zugegangen ist, ist mit § 130 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) eigentlich abschließend geregelt. Dennoch haben Gerichte bislang unterschiedlich beurteilt, wann eine E-Mail im unternehmerischen Geschäftsverkehr zugegangen ist. Spätestens nachdem das Oberlandesgericht (OLG) Hamm im März entschieden hatte, dass ein Abmahnschreiben als Dateianhang per EMail erst dann zugegangen sei, wenn der/die Empfänger*in den Anhang auch tatsächlich geöffnet hat (Urt. v. 09.03.2022, Az. 4 W 119/20), wurden die Rufe nach einer endgültigen Klärung lauter. Dem ist der Bundesgerichtshof (BGH) nun nachgekommen (Urt. v. 06.10.2022, Az. VII ZR 895/21). Hintergrund des Verfahrens vor dem BGH ist ein Rechtsstreit zwischen einer Frau und einem Bauunternehmen, welches sie 2016 mit der Erbringung von Metall- und Fassadenbegrünungsarbeiten beauftragt hatte. Nach Ausführung der Arbeiten berechnete das Unternehmen der Frau einen Betrag in Höhe von 254.335,77 Euro netto, woraufhin die Frau dem Unternehmen eine Abrechnungsvereinbarung zusandte und als Schlusszahlung einen Betrag in Höhe von 14.538,36 Euro anwies. Das Bauunternehmen widersprach der Schlusszahlung jedoch und forderte die Frau mit E-Mail vom 14. Dezember 2018 zu einer Zahlung von 14.347, 23 Euro zuzüglich Anwaltskosten in Höhe von 1.029, 25 Euro, insgesamt also zu einer Zahlung von 15.376,48 Euro, auf. In einer weiteren E-Mail knapp eine halbe Stunde später erklärte das Unternehmen daraufhin jedoch, dass sie die Forderungshöhe noch nicht abschließend geprüft hätten und die vorangegangene E-Mail um 9:19 Uhr daher unberücksichtigt bleiben müsse. Kurz darauf legte das Unternehmen der Frau eine Schlussrechnung über eine Rechtsforderung in Höhe von 22.173,17 Euro vor. Dennoch zahlte die Frau lediglich einen Betrag in Höhe von 15.376,48 Euro. In der daraufhin erhobenen Klage forderte das Bauunternehmen die Zahlung des Differenzbetrages. Nachdem die Klage bereits in den Vorinstanzen vor dem Landgericht (LG) Berlin und dem Kammergericht (KG) Berlin keinen Erfolg hatte (Urt. v. 23.10.2020, Az: 96 O 37/19, 30.11.2021, Az: 21 U 1103/20) scheiterte nun auch die Revision beim BGH. BGH: Abrufmöglichkeit statt tatsächlicher Kenntnis für Zugang entscheidend Der BGH stützte seine Entscheidung im Wesentlichen darauf, die Vorinstanzen seien zu Recht davon ausgegangen, dass sich beide Parteien auf den Abschluss eines Vergleichs nach § 779 BGB geeinigt hätten. So sei die erste E-Mail des Unternehmens nach Ansicht des Gerichts als ein Angebot auf Abschluss eines Vergleichs auszulegen, wonach die 14 Recht

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