agbau_03.2025

Zählen lange Wege im Betrieb zur Arbeitszeit? Ein juristischer Praxisleitfaden für Arbeitgeber und Arbeitnehmer Wann beginnt die Arbeitszeit? Diese scheinbar einfache Frage führt in vielen Unternehmen zu Unsicherheiten und Konflikten – insbesondere dann, wenn Arbeitnehmer weite Strecken auf dem Betriebsgelände zurücklegen müssen, bevor sie ihren eigentlichen Arbeitsplatz erreichen. Müssen solche Wege bezahlt werden? Zählt das Anlegen von vorgeschriebener Dienstkleidung zur Arbeitszeit? Und was gilt für Sicherheitskontrollen? Dieser Beitrag beleuchtet die arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen anhand der gesetzlichen Grundlagen und aktueller Rechtsprechung und gibt praxisnahe Hinweise für Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Begriff der Arbeitszeit im Arbeitszeitgesetz Nach § 2 Abs. 1 des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) ist Arbeitszeit die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne die Ruhepausen. Darunter versteht die Rechtsprechung jede Tätigkeit, die ein Arbeitnehmer im Interesse seines Arbeitgebers verrichtet. Entscheidend ist dabei nicht nur die eigentliche Arbeitsverrichtung, sondern auch vorbereitende Handlungen, die im Zusammenhang mit der Arbeitsleistung stehen. Die arbeitszeitrechtliche Definition dient primär dem Arbeitnehmerschutz – insbesondere zur Begrenzung der zulässigen Arbeitszeit und zur Gewährleistung von Ruhezeiten. Ob eine als Arbeitszeit einzustufende Handlung zugleich vergütungspflichtig ist, ergibt sich nicht aus dem ArbZG, sondern aus dem Arbeitsvertrag, tarifvertraglichen Regelungen oder über die Grundsätze der betrieblichen Übung. Der klassische Arbeitsweg: Keine Arbeitszeit Die Zeit, die ein Arbeitnehmer benötigt, um von seinem Wohnort zur Arbeitsstätte zu gelangen, zählt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) grundsätzlich nicht zur Arbeitszeit. Sie ist dem privaten Lebensbereich des Arbeitnehmers zuzuordnen und wird daher auch nicht vergütet. Dies gilt unabhängig von der Länge oder Schwierigkeit des Arbeitsweges. Eine Ausnahme hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit Urteil vom 10.09.2015 (Az. C-266/14, Tyco) für Arbeitnehmer ohne festen Arbeitsort geschaffen: Wenn etwa Servicetechniker vom Wohnort direkt zum ersten Kunden fahren und von dort abends wieder heimkehren, ist diese Fahrzeit als Arbeitszeit im Sinne der EU-Arbeitszeitrichtlinie anzusehen. Dies betrifft insbesondere den Arbeitsschutz, nicht aber automatisch die Vergütungspflicht. Innerbetriebliche Wege: Differenzierung erforderlich Die Wege, die ein Arbeitnehmer innerhalb eines großen Betriebsgeländes zurücklegt, etwa vom Parkplatz über das Werktor und durch eine Sicherheitsschleuse zur Umkleide oder zum Arbeitsplatz, sind besonders praxisrelevant. Ob diese Wegezeiten als Arbeitszeit gelten, hängt davon ab, ob der Arbeitnehmer dabei bereits in den Einflussbereich des 24 Recht

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