agbau_01.2022

Ist die Baustelle ein Arbeitsplatz (nur) für Starke und Mutige? Psychische Belastungen auf Baustellen Dass Arbeitgeber*innen die Arbeitsbedingungen ihrer Beschäf tigten zu beur teilen haben, geeignete Schutzmaßnahmen gegen ermittelte Gefährdungen festlegen und umsetzen müssen und diese im Anschluss daran auf ihre Wirksamkeit zu prüfen haben und all diese Schrit te dokumentieren müssen, ist hinlänglich bekannt – und nicht neu. So schreibt es das Arbeitsschutzgesetz seit 1996 vor. Ebenfalls nicht neu ist eine wichtige Ergänzung dieses Gesetzes, bereits seit 2013 in Kraft; darin wird explizit die Beurteilung psychischer Belastungen durch die Arbeit gefordert. Das bezieht sich nicht auf einzelne Tätigkeiten oder Branchen, ebenso wenig wie auf bestimmte Unternehmensgrößen. Die Erfahrung – sowohl bei der Betrachtung der gewerkspezifischen Gefährdungsbeurteilungen als auch der tatsächlichen Arbeitssituation vor Ort – zeigt (leider), dass es in diesem Bereich deutliches Verbesserungspotential gibt. Woran liegt es also, dass sich offensichtlich sowohl Arbeitgeber*innen als auch Mitarbeiter*innen schwer damit tun, zumindest die verbindlichen Forderungen aus Gesetz und Verordnungen zu erfüllen oder gar den zweifelsfrei vorhandenen Nutzen zu erkennen und für sich umzusetzen? Ein Aspekt ist darin zu sehen, dass viele Beteiligte der Meinung sind, das Thema „psychische Belastung“ falle nicht in ihren Kompetenzbereich. Of t wird als Erklärung von Unternehmer*innen und von Führungskräften (mit Pflichtenübertragung gem. § 13 ArbSchG), die für die Erstellung der Gefährdungsbeurteilung Verantwortung tragen, angeführt, man sei weder Psychologe noch Therapeut und daher durch die gesetzliche Anforderung schlichtweg über forder t. Außerdem dür fe man für die Mitarbeiter*innen keine Gesundheits- oder gar Krankheitsdiagnose stellen, das sei Ärzten und Therapeuten vorbehalten. Diese Aussage ist zunächst einmal sogar richtig – der Ansatz hingegen ist falsch. Es geht dem Gesetzgeber um die psychischen Belastungen, die messbar und für alle gleich sind. Es geht nicht um die kurzfristigen psychischen Beanspruchungen sowie die mittel- und langfristigen Beanspruchungsfolgen, die natürlich abhängig sind von den individuellen Leistungsvoraussetzungen der oder des Beteiligten inkl. der möglicherweise vorhandenen außerberuflichen Einflüsse. Diese meist negativen Gesundheitsfolgen durch psychische Fehlbelastungen sollen durch geeignete Maßnahmen gerade vermieden werden. Ein zweiter Aspekt ist im Personenkreis der auf dem Bau Beschäftigten zu sehen. Von Vielen wird das Vorhandensein psychischer Belastungen per se zurückgewiesen, auch das Gespräch über diese Art der Gefährdungen gilt als „Schwäche“ und wird weitgehend abgelehnt. So verwundert es ein wenig, dass mehr als die Hälfte aller von der BG Bau befragten Personen, die auf dem Bau arbeiten, über Zeit- und/oder Termindruck klagen, angeben, dass sie monotone Arbeiten durch10 Arbeitsicherheit

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