GB_02.2023

16 02 / 2023 RECHT Gerüstbauvertrag 16 Merksätze zur Gebrauchsüberlassung Der Gerüstbau ist ein spezielles Gewerk mit vielen typischen Besonderheiten, insbesondere in rechtlicher Hinsicht. Auch ohne vertieftes Wissen ist ein gewisses Grundverständnis der rechtlichen Eckpunkte für Anwender*innen hilfreich, um im Betriebsalltag die richtigen Entscheidungen zu treffen und Fehler zu vermeiden. An erster Stelle dieser Besonderheiten kann der einzigartige Leistungsgegenstand genannt werden, um den sich der Gerüstbauvertrag dreht und der ihn charakteristisch von vielen anderen Gewerken unterscheidet: die Kombination aus Montageleistung und Gebrauchsüberlassung. Vor allem die Überlassung der Gerüste an die Auftraggeber*innen hält eine Vielzahl an rechtlichen Fallstricken bereit und unterliegt besonderen Regeln. 16 von ihnen sind in den folgenden Merksätzen zusammengefasst: 1. Der Gerüstbauvertrag ist ein sogenannter gemischttypischer Vertrag, der aus werkvertraglichen (Auf-/ Um- und Gerüstabbau) und mietvertraglichen Elementen (Gebrauchsüberlassung) besteht. 2. Das gilt grundsätzlich auch dann, wenn im jeweiligen Vertrag die VOB vereinbart wurde. 3. Während der Gebrauchsüberlassung trifft den/die Auftraggeber*in eine Obhutspflicht, was bedeutet, dass er/sie die Gerüste schonend und pfleglich zu behandeln und alles zu unterlassen hat, was zu einer vom vertragsgemäßen Gebrauch nicht mehr gedeckten Veränderung oder Verschlechterung der Gerüste führen kann. 4. Veränderungen oder Beschädigungen durch Gerüstnutzer*innen werden im Rahmen der mietrechtlichen Bestimmungen dem/der Auftraggeber*in zugerechnet. 5. Meldet der/die Auftraggeber*in ein beschädigtes Gerüst frei und kann nachgewiesen werden, dass es zum Zeitpunkt der Übergabe durch den/die Gerüstbauer*in in einwandfreiem Zustand gewesen ist, besteht ein Anschein dafür, dass der Schaden im Zeitraum der Gebrauchsüberlassung verursacht wurde (was dann als Ansatzpunkt für einen Schadensersatz- anspruch gegen den/die Auftraggeber*in herangezogen werden kann). 6. Einer Beschädigung steht es gleich, wenn ein Gerüst aufgrund von Einwirkungen durch den/die Nutzer*in nicht mehr bestimmungsgemäß verwendet werden kann (z. B. infolge grober Verschmutzung mit Putzresten)… 7. … oder verwendet werden darf (z. B. aufgrund einer Durchbrechung der zulassungsrechtlich vorgeschriebenen Verzinkung von Gerüstteilen). 8. Die Höhe eines Schadensersatzanspruches wegen Beschädigung/Abhandenkommen von Gerüstteilen bemisst sich nach dem für den/die Geschädigte*n geltenden Materialneupreis unter Berücksichtigung des Werteverfalls/der Abschreibung aufgrund des Alters der beschädigten Teile („Abzug neu für alt“). 9. Der Schadensersatz umfasst auch Folgekosten, die dem/der Geschädigten entstehen, z. B. ein erhöhter Aufwand beim Abbau beschädigter Gerüste, die Begutachtung durch einen Sachverständigen oder Kosten der Rechtsverfolgung. 10. Ersatzansprüche bei beschädigten/abhandengekommenen Gerüstteilen verjähren innerhalb einer kurzen Frist von 6 Monaten ab Rückgabe der Teile bzw. Kenntniserlangung über ihren Verlust, weshalb in diesen Fällen in Bezug auf die Rechtsverfolgung stets Eile geboten ist! 11. Den/die Gerüstbauer*in trifft während der Gebrauchsüberlassung eine Erhaltungspflicht, was bedeutet, dafür zu sorgen, dass das Gerüst unter Berücksichtigung der vereinbarten Nutzung in dem vertraglich geschuldeten Zustand bleibt. 12. Das umfasst die Prüfung und Wartung vertragsgemäßer Abnutzungen (sogenannter technischer Verschleiß) und sonstiger vorhersehbarer Verschlechterungen des Gerüstes (z. B. durch übliche Witterungserscheinungen). 13. Darüber hinausgehende Verschlechterungen (z. B. durch exzessive Verschmutzung, zweckfremde Nutzung, Schädigungen oder außergewöhnliche Witterungserscheinungen) sind nicht mehr von der Erhaltungspflicht des/der Gerüstbauer*in umfasst… 14. …und das Wiederherstellen des vertragsgemäßen Zustands des Gerüstes löst dann einen zusätzlichen Vergütungsanspruch aus. 15. Obhutspflicht und Erhaltungspflicht enden mit der rechtswirksamen Freigabe zum Abbau des Gerüsts. 16. Die Vergütungspflicht für die Gebrauchsüberlassung endet mit Ablauf des letzten von Auftraggeber*in in Anspruch genommenen Überlassungsintervalls (z. B. bei vereinbarter monatsweiser Gebrauchsüberlassung mit Ablauf des jeweils angebrochenen Monats). Autor: Rechstanwalt Tobias Barth Kanzlei Barth Am Kabellager 11 • D-51063 Köln Tel. +49 221 650 877 30 info@barth-kanzlei.de • www.barth-kanzlei.de

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