GB_03.2023

14 03 / 2023 Kommt die elektronische Zeiterfassung für Beschäftigte? Am 13.09.2022 erging eine der wohl wichtigsten Entscheidungen des letzten Jahres: Das BAG fasste einen Beschluss über die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung. Lange Zeit waren die Folgen für Arbeitgeber*innen und Arbeitnehmer*innen unklar. Ein Gesetzesentwurf für eine Reform des Arbeitszeitgesetzes bringt nun etwas Licht ins Dunkel. Zukünftig soll die Arbeitszeit von Beschäftigten per elektronischer Zeiterfassung aufgezeichnet werden. Der deutsche Gesetzgeber hat lange mit einer Neuregelung des Arbeitszeitgesetzes auf sich warten lassen. Der nun vom Bundesarbeitsministerium vorgelegte Gesetzesentwurf verpflichtet Arbeitgeber*innen dazu, Anfang und Ende sowie die Dauer der Arbeitszeit der Beschäftigten jeweils am Tag der Arbeitsleistung selbst elektronisch zu erfassen. Die Beschäftigten können die Zeiterfassung jedoch auch selbst vornehmen oder durch eine/n „Dritte*n“, wie eine/n Vorgesetzte*n, vornehmen lassen. Außerdem sollen sich die Arbeitnehmer*innen jederzeit Auskunft über die erfassten Zeiten einholen können. Die geplante Reform des Arbeitszeitgesetzes ist eine Reaktion des Bundesarbeitsministeriums auf die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes (EuGH, Urteil vom 14.05.2019, Az. C-55/18) und des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Beschluss vom 13.09.2022, Az. 1 ABR 22/21). Bereits im September 2022 stellte das BAG fest, dass eine Verpflichtung zur Zeiterfassung seit jeher bestand – demzufolge seien die europäischen Vorgaben des Arbeitszeitrechts in Deutschland nicht immer korrekt umgesetzt worden. Diese Pflicht folge laut Gericht direkt aus den Regelungen zum Arbeitsschutz. Dem BAG-Beschluss ging ein Urteil des EuGHs voraus. Dieser stellte bereits 2019 anlässlich der Vorlage eines spanischen Gerichts fest, dass der Arbeitsschutz nur dann gewährleistet werden kann, wenn die Arbeitgeber*innen die Arbeitszeit erfassen. Zu Zeiten des EuGH-Urteils konnte sich die Große Koalition aber nicht auf eine Umsetzung durch ein Gesetz einigen. Konkrete Ausgestaltung der Arbeitszeiterfassung war bisher unklar Nach dem Beschluss des BAG kündigte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil an, eine praxistaugliche Lösung zu suchen. Schließlich hätte das BAG nur festgelegt, dass eine Zeiterfassung zu erfolgen hat. Wie genau diese aussehen soll, wurde damals nicht entschieden. „Beruhigend“ ist der Gedanke, dass laut dem Gesetzesentwurf zumindest eine Rückkehr zur Stechuhr nicht im Raum steht. Vielmehr soll der Fokus auf die vielseitigen Möglichkeiten elektronischer Zeiterfassung gelegt werden. So würde dem/der Arbeitgeber*in zum einen die Kontrolle und Auswertung der aufgezeichneten Arbeitszeit erleichtert und zum anderen auch die Chance einer korrekten Erfassung verbessert werden. Verbindliche Vorgaben macht das Bundesarbeitsministerium jedoch immer noch nicht. Neben den üblichen Arten der Aufzeichnung kann beispielsweise auch eine Erfassung via App erfolgen, oder aber eine kollektive Arbeitszeiterfassung durch die Nutzung und Auswertung elektronischer Schichtpläne. Tarifpartner werden die Möglichkeit haben, Ausnahmeregelungen zu treffen und von der elektronischen Aufzeichnung abzuweichen. So sollen sie auch eine händische Zeiterfassung in Papierform zulassen können. Darüber hinaus kann die Erfassung auch noch bis zum Ablauf des siebten auf den Arbeitstag folgenden Kalendertag erfolgen. Arbeitswelt wird immer flexibler Nicht erst seit der Pandemie und dem damit verbundenen Home-Office-Trend: Die Arbeitswelt wird immer flexibler. Daher seien, zumindest laut Gesetzesentwurf, auch angepasste Zeiterfassungen erforderlich: “Gerade in einer flexiblen Arbeitswelt kommt der Erfassung der geleisteten Arbeitszeiten eine besondere Bedeutung zu”, heißt es seitens der Beamten des Arbeitsministers. Nur dadurch wird der/die Arbeitgeber*in die Einhaltung der gesetzlichen Höchstarbeitszeiten und Mindestruhezeiten ausreichend kontrollieren können. Insofern dient eine verlässliche Zeiterfassung auch der Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmer*innen. Im Übrigen: Freunde der beliebten „Vertrauensarbeitszeit“ müssen nicht bangen – das flexible Arbeitszeitmodell soll durch die Pflicht der Zeiterfassung nicht beeinträchtigt werden. Autorin: Sandra Schiffgen, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht bei WBS.LEGAL. RECHT WILDE BEUGER SOLMECKE Rechtsanwälte Partnerschaft mbB Kaiser-Wilhelm-Ring 27-29 • D-50672 Köln Tel. +49 221 951 563-0 • info@wbs-law.de • www.wbs.legal

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