GB_06.2022

16 06 / 2022 Gehälter transparent und verständlich gestalten Walter Stuber: „Wir haben zu viele Sonderleistungen“ Bei Gemeinhardt Service verdienen alle Mitarbeiter*innen über dem Tariflohn. Dabei zahlen die beiden Geschäftsführenden Gesellschafter Walter Stuber und Dirk Eckart eigentlich knapp unter Tarif. Doch mit einem Bonusprogramm wächst die Lohntüte der Gerüstbauer*innen: Angefangen, dass die Fahrstunden auf Baustellen im Stundenlohn bezahlt werden über Vermögenswirksame Leistungen und Zuschüsse zum Kindergartenplatz bis zur Vermittlungsprämie für neue Kolleg*innen – für Gerüstbauer 3.000 Euro, für Kolonnenführer sogar 6.000 Euro. Letztlich können die Mitarbeiter*innen ihren Wunschlohn selbst bestimmen, in dem sie freiwillige Aufgaben übernehmen. 40 Punkte umfasst der Katalog gegenwärtig. „Viel zu kompliziert“, stellt Stuber allerdings selbstkritisch fest. Denn sogar seine 42 Mitarbeiter*innen verstehen die Lohnabrechnung teilweise nicht vollständig. Viel schlimmer: Bewerber*innen trauen dem System nicht, wollen von vornherein lieber ein festgeschriebenes Gehalt und sagen dem Spezialgerüstbauer als potentiellem Arbeitgeber wieder ab. „Unsere Idee war, die Leistung und das Engagement der Mitarbeiter*innen zu belohnen“, erzählt der 61-jährige Unternehmer, denn auch Weiterbildung, Sportkurse oder Nichtrauchen werden finanziell gefördert. So steht der Gerüstbauer aus dem sächsischen Roßwein im Ruf, dass dort hart gearbeitet, aber auch gut verdient wird. Schon die Azubis erhalten rund 200 Euro mehr als tariflich festgeschrieben. Das Konstrukt hat über viele Jahre auch gut funktioniert: Als Spezialgerüst- bauer war das Unternehmen interessant für leidenschaftliche Gerüstbauer*innen, und zwar nicht nur wenn sie direkt aus Sachsen kamen. Fast alle Fachkräfte sind ausgebildet, darunter ein Meister und acht Kolonnenführer. Qualität, die Gemeinhardt Service für seine außergewöhnlichen Aufträge benötigt. Doch das Führungsduo Stuber und Eckart erkennt, dass der Fachkräftemangel nun auch ihr Unternehmen erreicht. Umso ärgerlicher, wenn interessierte Bewerber*innen das Gehaltssystem nicht verstehen oder nicht akzeptieren. „Wir werden etwas daran ändern und die Entlohnung transparenter und verständlicher gestalten“, sind sich die Geschäftsführer einig. Karl-Heinz Vossenkuhl kann verstehen, dass Mitarbeiter*innen oder Bewerber*innen zunächst ein sicheres und gutes Gehalt haben wollen. Erst dann seien weitere Zusatzkomponenten interessant. Der Unternehmensberater und Managementtrainer war zehn Jahre Wirtschaftsförderer in der Handwerkskammer Konstanz, ehe er sich 1998 selbständig machte und seitdem auch viele Handwerksbetriebe unterstützte. Seine These: „Wenn Inhaber*innen ihre Mitarbeiter*innen zu Leistung motivieren wollen, müssen sie sie an der Ausrichtung und Unternehmensvision beteiligen“. Etwa sollte die Geschäftsführung mit den leitenden Angestellten ein Wertesystem einführen. Letzte tragen diese Werte dann in ihre Abteilungen und Teams: „Dann hat der/die Unternehmer*in seine/ihre Mannschaft hinter sich, egal, ob es um Arbeitsleistung geht, Weiterbildung oder ein Gehaltsgefüge.“ Das könne man nicht ausschließlich von oben her bestimmen. Für Vossenkuhl ist auch klar, dass es in einem Unternehmen einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess (KVP) geben müsse. UNTERNEHMENSFÜHRUNG

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