GB_06.2022

Diese Doppeldeutigkeit ist in Bezug auf die bauliche Durchbildung des Gerüstes – das aus technischer Sicht gleichzeitig als Arbeits- und als Schutzgerüst erstellt werden kann – nicht von Bedeutung. Mit Blick auf die Abrechnungsart ist sie jedoch ein Problem. Denn eine „vermischte Abrechnung“ ist nach der DIN 18451 nicht vorgesehen, ein Gerüst bzw. einzelne Gerüstabschnitte sind immer nur entweder als Arbeitsgerüst oder als Schutzgerüst abrechenbar. In diesen Fällen doppeldeutiger bzw. gemischter Leistungspositionen muss daher stets eine Lösung gefunden werden, wie das Gerüst abzurechnen ist – als Arbeitsgerüst nach Abschnitt 5.2.1 oder als Schutzgerüst nach Abschnitt 5.2.3 DIN 18451. Diese Lösung heißt: Vertragsauslegung. Auslegung bedeutet in diesem Kontext, den Inhalt der Vertragsvereinbarungen zu ermitteln, da dieser nicht klar und deutlich aus dem Wortlaut des Vertragstextes hervorgeht. Diese Ermittlung erfolgt in der Rechtslehre nach bestimmten Methoden, bei denen vor allem die Begleitumstände, wie z. B. Sinn und Zweck einer vertraglichen Regelung, oder der Gesamtzusammenhang, in dem die Vertragsklauseln stehen, eine Rolle spielen. Veranschaulicht werden sollen diese Auslegungsmethoden anhand folgender praxisnaher Fallkonstellationen (Achtung: die Lösungen der Beispielfälle haben keine Allgemeingültigkeit und können eine Rechtsberatung im Einzelfall nicht ersetzen; von der Rechtsansicht des Verfassers abweichende Auffassungen sind vertretbar): Beispiel Pos. 01 Arbeits- und Schutzgerüst […] zur Durchführung von Dachdeckerarbeiten […] Hier kann der angegebene Verwendungszweck als Indiz für die einheitliche Abrechnung des Gerüstes als Schutzgerüst gewertet werden. Da das Gerüst zur Durchführung von Dachdeckerarbeiten dienen soll, kann ein objektiver Betrachter der Vertragsvereinbarung darauf schließen, dass es sich um ein Fang- bzw. Dachfanggerüst handelt und folglich als solches abzurechnen ist. Hinweis: Ein weiteres Indiz kann auch die Bezugnahme auf eine gerüstartbezogene technische Norm sein, wie z. B. auf DIN 4420-1 als Hinweis auf ein Schutzgerüst oder auf DIN EN 12811-1 als Hinweis auf ein Arbeitsgerüst. Beispiel Pos. 01 Arbeits- und Schutzgerüst […] Pos. 03 Dachfanggerüst […] Ausbau des Gerüstes nach Pos. 01 zum Dachfanggerüst […] Die getrennte Ausschreibung der „Schutzgerüstleistung Dachfanggerüst“ ist ein deutliches Signal an den objektiven Betrachter, dass das Gerüst abrechnungstechnisch in zwei eigenständige Bereiche, nämlich ein Arbeitsgerüst und ein Schutzgerüst unterteilt ist (ähnlich auch AG München, Urteil v. 09.09.2020, Az. 261 C 12759/20). Sofern die Vertragsparteien das gesamte Gerüst als Schutzgerüst hätten abrechnen wollen, hätte es keinen Grund gegeben, den Ausbau zum Dachfanggerüst im Leistungsverzeichnis separat aufzuführen. Beispiel (vgl. oben) Pos. 01 Arbeits- und Schutzgerüst Auf-, Um- und Abbau/ Grundeinsatzzeit Arbeits- und Schutzgerüst nach DIN EN 12811-1, DIN 4420-1 zur Durchführung von Rohbau-, Maurer-, Maler- und Dachdeckerarbeiten […] Abrechnung nach VOB RECHT Anzeige Das Großseminar in Hannover hat gezeigt: wir brauchen den digitalen Wandel jetzt. Ohne Investition geht es nicht: Sie brauchen Zeit, Training und Mitarbeitermotivation. Es lohnt sich. macht den Start sicher: vollständig | einfach | schnell | transparent

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