GB_06.2022

Ausgabe 06 / 2022 www.der-geruestbauer.de Schutzgebühr 4,50 Euro

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3 06 / 2022 EDITORIAL/ INHALT Sehr geehrte Leserinnen und Leser, ein ereignis- und arbeitsreiches Jahr neigt sich dem Ende zu. Wir hoffen, Sie finden zum Jahresende ein wenig Zeit und Ruhe für die Familie und Freunde, um neu aufzutanken und motiviert in ein neues Jahr zu starten. Wir wünschen Ihnen erholsame Weihnachtsfeiertage und ein gesundes und erfolgreiches neues Jahr 2023. Ihr Team von DER GERÜSTBAUER » Technik: Fassadengerüste im Grenzbereich mit Aufbauhöhen bis 83 Meter...............................................4 » Arbeitssicherheit: Baustellen im Winter.........................12 » Unternehmensführung: Faszination Gerüstbau..............14 » Unternehmensführung: Gehälter transparent und verständlich gestalten....................................................16 » Recht: Arbeitsgerüst vs. Schutzgerüst. ..........................18 » Soka: Leistungswettbewerb des Handwerks 2022. ........22 » Soka: Haftungsrisiken beim Nachunternehmer- Einsatz. ..........................................................................24 » Die Bundesinnung für das Gerüstbauer-Handwerk informiert.......................................................................26 » Hersteller Infos ..............................................................32 » Dienstleister...................................................................48 » Marktplatz......................................................................49 » Termine..........................................................................50 Beate Bernheine Markus Hüger Verlag: fachverlag bernheine UG (haftungsbeschränkt) Postfach 210 625, 41432 Neuss Tel. 02137-932248 Fax 02137-932247 info@bernheine-medien.de www.bernheine-medien.de Verlagsleitung: Beate Bernheine Einzelheftpreis/ Nachbestellung: 4,50 Euro zzgl. Porto IMPRESSUM Erscheinungsweise: sechsmal jährlich Layout: Maritta Müller Freie Autoren: Dipl.-Ing. Heiko Tomshöfer Titelfoto: MJ-Gerüst GmbH Copyright: fachverlag bernheine UG. Alle Rechte vorbehalten. Die Redakteur*innen der einzelnen Artikel sind für ihre Inhalte selbst verantwortlich. Kürzungen vorbehalten. Information für Abonnent*innen: Der Preis für das Jahresabonnement erhöht sich ab 1.1.2023 auf 35,70 Euro

4 06 / 2022 Sicher nach oben! Fassadengerüste im Grenzbereich mit Aufbauhöhen bis 83,0 m Fassadengerüste werden unter Beachtung der DIN EN 12811 „üblicherweise“ aus Rahmengerüstmaterial erstellt und sind über die Typenstatik bei Einhaltung der Aufbau- und Verwendungsanleitung bis zu einer Aufbauhöhe von mindestens 24,0 m in Bezug auf die Standsicherheit der Gerüstkonstruktion ohne Gründungs- und Baubestandsnachweise nachgewiesen. Wird diese Aufbauhöhe überschritten, so ist die Typenstatik nicht mehr gültig und die Gerüstkonstruktion wird außerhalb der TECHNIK Abb. 1: Bestimmung der Eigengewichtslasten pro steigender Meter Gerüst (Quelle: FRG1 Standgerüste Ausgabe 2019)

Regelausführung montiert. Das bedeutet, dass ein baustellenbezogener Standsicherheitsnachweis erbracht werden muss, der je nach Bundesland sogar baugenehmigungspflichtig sein kann. Hinweis: Dieser Standsicherheitsnachweis ist nach DIN EN 18451 keine Nebenleistung des Gerüstaufstellerunternehmens, sondern eine gesondert vom/von der Auftraggeber*in zu vergütende Leistung, die entweder im Vorfeld vom/von der Auftraggeber*in auszuschreiben ist oder die vom Gerüstaufstellerunternehmen vor Leistungserbringung gegenüber dem/der Auftraggeber*in anzuzeigen ist. In Großstädten sind infolge der örtlichen Platzverhältnisse und des notwendigen Wohn- bzw. Arbeitsraumes Gebäudehöhen zwischen 6,0 m und 20,0 m und in Einzelfällen bis zu ca. 100,0 m nicht ungewöhnlich. Diese Bestandsbauwerke wurden unter anderem in den 60er und 70er Jahren gebaut und werden aktuell modernisiert, saniert bzw. energetisch (Stichwort: Wärmedämmung) „aktualisiert“. Das wiederum bedeutet, zur Durchführung der Sanierungsmaßnahmen werden sichere Höhenzugänge und Arbeitsräume benötigt, was zur Kernkompetenz des Gerüstbauhandwerkes gehört. Bei den Gerüsthöhen oberhalb der Regelausführung werden die Gerüstaufsteller*innen immer stärker auch als Fachberater*innen benötigt, um technisch machbare und wirtschaftlich sinnvolle Gerüstlösungen zu finden. Eine sachgerechte Fachberatung dreht sich unter anderem dabei oft um folgende Punkte: TECHNIK Ob Wohnbau, Industriebau oder Infrastrukturmaßnahmen: mit unseren Gerüstbaulösungen bringen wir moderne Bauprojekte sicher nach oben. Werden Sie jetzt Teil unseres Teams – und lassen Sie so nicht nur Architektur-Träume wahr werden, sondern auch Ihre ganz persönlichen! Sie sollten mitbringen: • abgeschlossene technische Ausbildung (Gerüstbaumeister, Bauingenieur, Bautechniker) oder gleichwertige Qualifikation • idealerweise Berufserfahrung als Bauleiter im Bereich Gerüstbau • hohes technisches Verständnis und überdurchschnittliches Engagement • Verhandlungsgeschick, Kommunikationsstärke und Durchsetzungsfähigkeit • Führerschein Klasse B • sichere Office 365 Kenntnisse (wir arbeiten mit der Gerüstbausoftware CP Pro) Wir bieten Ihnen: • eine unbefristete Festanstellung als Bauleiter im Gerüstbau • ein motiviertes Team • attraktive, leistungsgerechte Vergütung plus Boni-Regelung • eine verantwortungsvolle und interessante Tätigkeit • kurze Entscheidungswege und flache Hierarchien • in- und externe Fort- und Weiterbildung • einen Dienstwagen mit privater Nutzung • einen modernen Arbeitsplatz einschließlich freier Getränke Ihre Bewerbung schicken Sie bitte an: Bewerbung@schwarz-geruestbau.de SCHWARZ GERÜSTBAU Bernhard Schwarz GmbH Barnackufer 29D 12207 Berlin BAULEITER / GERÜSTBAUMEISTER / BAUINGENIEURE / BAUTECHNIKER (m/w/d) Wir suchen ab sofort: Anzeige Abb. 2: Verkehrslasten auf Gerüstlagen (Quelle: FRG1 Standgerüste Ausgabe 2019) Abb. 3: Vereinfachte Vertikalstiellastermittlung für die Handrechnung ohne Stabilisierungslasten und Windanteile (Quelle: Ingenieure Tomshöfer & Partner) Aufbauhöhe H = Einflußfläche pro V-Stiel mit A = 2,500 m x 0,320 m = 0,800 m2 Nutzlast NL = 2,00 1,5 Lagen NL: 0,80 x 2,00 x 1,5 Lagen = 2,40 kN EG-Beläge 0,80 x 0,25 x 12,0 Lagen = 2,40 kN EG: 24,00 x 0,27 kN/stg.m = 6,48 kN Gebrauchslast: S = 11,28 kN Bemessungslast mit yf = 1,5: S d = 18,61 kN ( Zuwachs aus Imperfektionen = 15% ) 24,00 m kN/m2

6 06 / 2022 • Auftretende Vertikalstiellasten, Aufnahme und Ableitung der Vertikallasten • Gründungssituation, Gründungsausbildung und Gründungstragfähigkeit • Fassadenstruktur in Bezug auf die notwendige Ankerung der Gerüstkonstruktion, Ankertypen und Ankerausbildung etc. Bei der Bestimmung der Vertikalstiellasten können z. B. die Unterlagen des Gerüstherstellers oder die Fachregeln für den Gerüstbau herangezogen werden. Hier ist es schnell möglich, die Vertikalstiellasten selbst zu bestimmen (Abb. 1). Dabei ist darauf zu achten, dass zu dem Eigengewicht der Gerüstkonstruktion auch die Nutzlasten der jeweiligen Lastklasse als auch die Einflüsse aus Imperfektionen, Stabilisierung und Wind nicht vergessen werden (Abb. 2). Das bedeutet, bei der Angabe der Vertikalstiellast ist die Angabe des Eigengewichtes nur die halbe Wahrheit (Abb. 3). Wenn man sich die Zahlen genau ansieht, ist klar zu erkennen, dass die Position Eigengewicht oft maßgeblich ist und neben der TECHNIK PLANUNG, BERATUNG, SCHULUNG UND GUTACHTEN IM GERÜSTBAU Ingenieure Tomshöfer und Partner Zu den Kämpen 2a • 44791 Bochum Tel. 0234-5880733 • Fax 0234-5880734 info@ingenieure-am-werk.de www.ingenieure-am-werk.de Anzeige Abb. 5: Längenorientiertes Fassadengerüst während der Montage auf der Decke des Anbaus gegründet, Aufbauhöhe ca. 52,0 m, Lastklasse 3 mit 30er Innenkonsole (Quelle: Gerüstbau Herten GmbH, Herten) Abb. 4: Bereinfachte Vertikalstiellastermittlung bei H = 40 m und H = 60 m, ohne Stabilisierungslasten und Windanteile (Quelle: Ingenieure Tomshöfer & Partner) Aufbauhöhe H = Einflußfläche pro V-Stiel mit A = 2,500 m x 0,320 m = 0,800 m2 Nutzlast NL = 2,00 1,5 Lagen NL: 0,80 x 2,00 x 1,5 Lagen = 2,40 kN EG-Beläge 0,80 x 0,25 x 20,0 Lagen = 4,00 kN EG: 40,00 x 0,27 kN/stg.m = 10,80 kN Gebrauchslast: S = 17,20 kN Bemessungslast mit yf = 1,5: S d = 28,38 kN ( Zuwachs aus Imperfektionen = 15% ) Aufbauhöhe H = Einflußfläche pro V-Stiel mit A = 2,500 m x 0,320 m = 0,800 m2 Nutzlast NL = 2,00 1,5 Lagen NL: 0,80 x 2,00 x 1,5 Lagen = 2,40 kN EG-Beläge 0,80 x 0,25 x 30,0 Lagen = 6,00 kN EG: 60,00 x 0,27 kN/stg.m = 16,20 kN Gebrauchslast: S = 24,60 kN Bemessungslast mit yf = 1,5: S d = 40,59 kN ( Zuwachs aus Imperfektionen = 15% ) 60,00 m kN/m2 40,00 m kN/m2 Gerüst unverändert, Aufbauhöhe 40,0 m Gerüst unverändert, Aufbauhöhe 60,0 m Aufbauhöhe H = Einflußfläche pro V-Stiel mit A = 2,500 m x 0,320 m = 0,800 m2 Nutzlast NL = 2,00 1,5 Lagen NL: 0,80 x 2,00 x 1,5 Lagen = 2,40 kN EG-Beläge 0,80 x 0,25 x 20,0 Lagen = 4,00 kN EG: 40,00 x 0,27 kN/stg.m = 10,80 kN Gebrauchslast: S = 17,20 kN Bemessungslast mit yf = 1,5: S d = 28,38 kN ( Zuwachs aus Imperfektionen = 15% ) Aufbauhöhe H = Einflußfläche pro V-Stiel mit A = 2,500 m x 0,320 m = 0,800 m2 Nutzlast NL = 2,00 1,5 Lagen NL: 0,80 x 2,00 x 1,5 Lagen = 2,40 kN EG-Beläge 0,80 x 0,25 x 30,0 Lagen = 6,00 kN EG: 60,00 x 0,27 kN/stg.m = 16,20 kN Gebrauchslast: S = 24,60 kN Bemessungslast mit yf = 1,5: S d = 40,59 kN ( Zuwachs aus Imperfektionen = 15% ) 60,00 m kN/m2 40,00 m kN/m2

konstruktiven Ausbildung des Gerüstes in erster Linie von der Aufbauhöhe beeinflusst wird (Abb. 4). Da ein Arbeitsgerüst nach DIN EN 12811 auf 1,5 Lagen mit der Verkehrslast/Nutzlast belastet werden darf, wird das Eigengewicht der Gerüstkonstruktion mit steigender Höhe immer bemessungsmaßgeblicher. Dabei sollte jedem/jeder Gerüstaufsteller*in klar sein, dass wir das Eigengewicht zwar durch Material und/oder Bauteildicken noch beeinflussen können, aber grundsätzlich ist das Eigengewicht und selbstverständlich auch die Nutzlast vorhanden und muss von den untersten Bauteilen TECHNIK GERÜSTE MIETE ICH BEI GVH, IST DOCH KLAR! Für alles gerüstet mit GVH Wir bieten für jedes Projekt die richtigen Gerüste in sicherer Qualität und ausreichenden Mengen. Gerüstvermietung Horst GmbH Max-Planck-Straße 4 25358 Horst Design: sternklar.com www.gv-horst.de Telefon 04126 / 39 33 79 Anzeige Abb. 6: Vereinfachte Vertikalstiellastermittlung bei H = 40,0 m ohne Stabilisierungslasten und Windanteile (Quelle: Ingenieure Tomshöfer & Partner ) Aufbauhöhe H = Einflußfläche pro V-Stiel mit A = 2,500 m x 0,320 m = 0,800 m2 Nutzlast NL = 2,00 1,5 Lagen NL: 0,80 x 2,00 x 1,5 Lagen = 2,40 kN EG-Beläge 0,80 x 0,25 x 20,0 Lagen = 4,00 kN EG: 40,00 x 0,27 kN/stg.m = 10,80 kN Gebrauchslast: S = 17,20 kN Bemessungslast mit yf = 1,5: S d = 28,38 kN ( Zuwachs aus Imperfektionen = 15% ) Aufbauhöhe H = Einflußfläche pro V-Stiel mit A = 2,500 m x 0,640 m = 1,600 m2 Nutzlast NL = 2,00 1,5 Lagen NL: 1,60 x 2,00 x 1,5 Lagen = 4,80 kN EG-Beläge 1,60 x 0,25 x 20,0 Lagen = 8,00 kN EG: 40,00 x 0,27 kN/stg.m = 10,80 kN Gebrauchslast: S = 23,60 kN Bemessungslast mit yf = 1,5: S d = 38,94 kN ( Zuwachs aus Imperfektionen = 15% ) Aufbauhöhe H = Einflußfläche pro V-Stiel mit A = 2,500 m x 0,960 m = 2,400 m2 Nutzlast NL = 2,00 1,5 Lagen NL: 2,40 x 2,00 x 1,5 Lagen = 7,20 kN EG-Beläge 2,40 x 0,25 x 20,0 Lagen = 12,00 kN EG: 40,00 x 0,27 kN/stg.m = 10,80 kN Gebrauchslast: S = 30,00 kN Bemessungslast mit yf = 1,5: S d = 49,50 kN ( Zuwachs aus Imperfektionen = 15% ) kN/m2 40,00 m kN/m2 40,00 m kN/m2 40,00 m Vertikalstiellast bei LK3, Aufbauhöhe H = 40,0 m ohne Innenkonsole: Aufbauhöhe H = Einflußfläche pro V-Stiel mit A = 2,500 m x 0,320 m = 0,800 m2 Nutzlast NL = 2,00 1,5 Lagen NL: 0,80 x 2,00 x 1,5 Lagen = 2,40 kN EG-Beläge ,80 x 0,25 x 20,0 Lagen = 4,00 kN EG: 40,0 , 7 kN/stg.m 10,80 kN Gebrauchslast: S = 17,20 k Bemessungslast mit yf = 1,5: S d = 28,38 kN ( Zuwachs aus Imperfektionen = 15% ) Aufbauhöhe H = Einflußfläche pro V-Stiel mit A = 2,500 m x 0,640 m = 1,600 m2 Nutzlast NL = 2,00 1,5 Lagen NL: 1,60 x 2,00 x 1,5 Lagen = 4,80 kN EG-Beläge 1,60 x 0,25 x 20,0 Lagen = 8,00 EG: 40,0 , 7 kN/stg.m 10,80 kN Gebrauchslast: S = 23,60 k Bemessungslast mit yf = 1,5: S d = 38,94 kN ( Zuwachs aus Imperfektionen = 15% ) Aufbauhöhe H = Einflußfläche pro V-Stiel mit A = 2,500 m x 0,960 m = 2,400 m2 Nutzlast NL = 2,00 1,5 Lagen NL: 2,40 x 2,00 x 1,5 Lagen = 7,20 kN EG-Beläge , x 0,25 x 20,0 Lagen = 12,00 EG: 40,0 ,27 kN/stg.m = 10,80 kN Gebrauchslast: S = 30,00 kN Bemessungslast mit yf = 1,5: S d = 49,50 kN ( Zuwachs aus Imperfektionen = 15% ) kN/m2 40,00 m kN/m2 40,00 m kN/m2 40,00 m Vertikalstiellast bei LK3, Aufbauhöhe H = 40,0 m mit 30er Innenkonsole je Lage: Aufbauhöhe H = Einflußfläche pro V-Stiel mit A = 2,500 m x 0,320 m = 0,800 m2 Nutzlast NL = 2,00 1,5 Lagen NL: 0,80 x 2,00 x 1,5 Lagen = 2,40 kN EG-Beläge 0,80 x 0,25 x 20,0 Lagen = 4,00 kN EG: 40,00 x 0,27 kN/stg.m = 10,80 kN Gebrauchslast: S = 17,20 kN Bemessungslast mit yf = 1,5: S d = 28,38 kN ( Zuwachs aus Imperfektionen = 15% ) Aufbauhöhe H = Einflußfläche pro V-Stiel mit A = 2,500 m x 0,640 m = 1,600 m2 Nutzlast NL = 2,00 1,5 Lagen NL: 1,60 x 2,00 x 1,5 Lagen = 4,80 kN EG-Beläge 1,60 x 0,25 x 20,0 Lagen = 8,00 kN EG: 40,00 x 0,27 kN/stg.m = 10,80 kN Gebrauchslast: S = 23,60 kN Bemessungslast mit yf = 1,5: S d = 38,94 kN ( Zuwachs aus Imperfektionen = 15% ) Aufbauhöhe H = Einflußfläche pro V-Stiel mit A = 2,500 m x 0,960 m = 2,400 m2 Nutzlast NL = 2,00 1,5 Lagen NL: 2,40 x 2,00 x 1,5 Lagen = 7,20 kN EG-Beläge 2,40 x 0,25 x 20,0 Lagen = 12,00 kN EG: 40,00 x 0,27 kN/stg.m = 10,80 kN Gebrauchslast: S = 30,00 kN Bemessungslast mit yf = 1,5: S d = 49,50 kN ( Zuwachs aus Imperfektionen = 15% ) kN/m2 40,00 m kN/m2 40,00 m kN/m2 40,00 m Vertikalstiellast bei LK3, Aufbauhöhe H = 40,0 m mit 70er Innenkonsole je Lage:

8 06 / 2022 der Gerüstkonstruktion also Vertikalstiel, Fußspindel, Unterleger nachvollziehbar und sicher aufgenommen werden können. Selbstverständlich muss dabei die nach DIN EN 18451 bauseitig nachzuweisende Gründung funktionieren, sonst nutzt das beste und stärkste Gerüst nichts, wenn die Gründung nachgibt. Das ist insbeszondere zu beachten, wenn z. B. ein Gerüst auf der Decke eines Anbaues aufgebaut werden soll (Abb. 5). Hier kommen Vertikalstiellasten von ca. 45,0 kN auf die Decke des Anbaues, die sicherlich ohne Zusatzmaßnahmen wie z. B. Durchstützungen oder Lastverteilungsträger nicht vom Bestandsbauwerk aufgenommen werden können. Hier ist die Fachberatung durch das Gerüstaufstellerunternehmen unverzichtbar, erst nach Angabe der aufzunehmenden Vertikalstiellasten kann der/die Auftraggeber*in prüfen, ob und wie die Lasten vom Bestandsbauwerk aufgenommen werden können. Unabhängig von der Gründung, muss auch der/die Gerüstaufsteller*in genau hin- schauen, welches Systemmaterial eingesetzt wird. Denn nicht alle Bauteile, die „ähnlich“ aussehen, haben die gleiche Tragfähigkeit. Hier ist eine gewisse Sorgfaltspflicht des/der Gerüst- aufsteller*in bei der Auswahl des einzusetzenden Materials geboten, um keine „bösen Überraschungen“ bei der Ausführung zu erleben. Die Vertikalstiellasten werden mit jedem steigenden Meter Gerüst immer größer und erst, wenn das Gerüst ganz oben ist, ist die volle Last da. Wenn es nun zu Problemen in der Tragfähigkeit z. B. des untersten Vertikalstieles kommt, sind nachträgliche Änderungen oder Verstärkungen nur – wenn überhaupt – mit entsprechend großem Aufwand möglich. Das Sicherheitsrisiko und die Gefährdung der Mitarbeiter*innen oder unbeteiligter Dritter ist enorm und sollte dabei nicht vergessen werden. Daher ist schon bei der Arbeitsvorbereitung unbedingt zu bedenken, ob z. B. eine Innenkonsole vielleicht sogar in jeder Lage zur Durchführung der Arbeiten gebraucht wird. Das hat deutlichen Einfluss auf die aufzunehmenden Vertikalstiellasten (Abb. 6) TECHNIK Anzeige Abb. 7: Fassadengerüstplanung Mundsburg Tower Hamburg, Aufbauhöhe ca. 83,0 m (Quelle: Ingenieure Tomshöfer & Partner)

Man kann sehen, dass bei gleicher Feldweite nur durch die Anordnung der 30er bzw. 70er Innenkonsolen sich die Vertikalstiellasten von 28,38 kN auf 38,94 kN bzw. 49,50 kN erhöhen. Dass dies selbstverständlich Auswirkungen auf die Standsicherheit der Gerüstkonstruktion als auch der Gründung hat, sollte jedem sofort klar sein. Zusätzlich wird bei dem Beispiel deutlich, wie sich Vertikalstiellasten durch das Anordnen von 30er- und/oder 70er-Innenkonsolenverändernkönnen,dieVertikalstiel- lasten steigen um 75 %, obwohl sich weder Lastklasse noch Feldweite verändert haben. Zu beachten ist hier, dass es sich bei diesem Beispiel nur um die Vertikalstiellasten handelt, alle anderen Bauteile werden dabei auch deutlich stärker belastet und müssen im Rahmen eines Standsicherheitsnachweises auf Tragfähigkeit überprüft werden. Die nachfolgende Gerüstkonstruktion am Mundsburg Tower in Hamburg soll zeigen, dass Gerüsthöhen von ca. 83,0 bis 84,0 bm technisch nachweisbar und wirtschaftlich sinnvoll mit Rahmengerüstmaterial umgesetzt werden können (Abb. 7 und Abb. 8). Neben der Tatsache, dass hier bei der notwendigen und gewählten Gerüstkonfiguration Vertikalstiellasten von ca. 79,0 kN auftreten, die nur mit zusätzlichen Vertikalstielen aufzunehmen und bis zur Gründung abzuleiten sind (Abb. 8a), sollte auch klar sein, dass die Windbelastung der Gerüstkonstruktion bei einer Höhe TECHNIK Gerüstschutzmontagen www.rkplanen.de info@rkplanen.de Hamburg | Dormagen | Mörfelden | Langenpreising | Wels (A) Ihr Partner für wetterunabhängiges Arbeiten Anzeige Abb. 8: Fassadengerüst Mundsburg Tower Hamburg, Aufbauhöhe 83,0 m (Quelle: AGB Alster Gerüstbau GmbH & Co. KG, Hamburg)

10 06 / 2022 von 83,0 m deutlich größer ist als bei einer Höhe von z. B. 4,0 m, was entsprechende konstruktive Stabilisierungsmaßnahmen zur Folge hat. Abhängig von der Höhe verändert sich die Windbelastung so deutlich, dass im unteren Gerüstbereich „Standardanker“ eingesetzt werden konnten, aber mit zunehmender Gerüsthöhe und der damit verbundener größerer Belastung, Schwerlastanker notwendig waren, um die Horizontalkräfte aus der Gerüstkonstruktion in das Bestandsbauwerk abzuleiten (Abb. 9). Oberhalb von 60,0 m Höhe waren die entstehenden Ankerlasten so groß, dass in Zusammenarbeit zwischen Baubestandsstatiker – Gerüstaufsteller – Gerüststatiker Sonderlösungen gefunden werden mussen, da das Bestandsbauwerk teilweise nicht in der Lage war, die Ankerlasten aus dem Gerüst aufzunehmen und abzuleiten. Hier wurde plötzlich nicht die Gerüstkonstruktion, sondern die Lasteinleitung bzw. die Lastableitung in das Bestandsbauwerk ein Problem. Je nach örtlicher Ausbildung des Bestandbauwerkes wurden Lasteinleitungswechsel aus Stahlrohr-Kupplungsmaterial, „Berliner Bindern“ und Wandkonsolen notwendig, um die Ankerlasten in den tragfähigen Bereich des Bestandbauwerkes einleiten zu können (Abb. 10). Auch hier haben die Fachleute der Firma AGB Alster Gerüstbau eine baupraktische Lösung gefunden, die baubar, nachweisbar und schnell umsetzbar war und so die Gerüstmontage oberhalb von 60,0 m Höhe überhaupt möglich gemacht hat. Das Ergebnis war ein fachgerechtes Arbeitsgerüst mit geeignetem Höhenzugang und ausreichendem Arbeitsraum zur Durchführung der bauseitigen Arbeiten mit einer Aufbauhöhe von ca. 83,0 m (Abb. 11). TECHNIK Abb. 9: Ankertypen Mundsburg Tower Hamburg, Abhängig von der Bauhöhe (Quelle: Ingenieure Tomshöfer & Partner) Abb. 10: Ankertypen und Anschlusswechsel Mundsburg Tower Hamburg, abhängig von der Bauhöhe (Quelle: Ingenieure Tomshöfer & Partner)

In diesem Sinne besten Dank an die AGB Alster Gerüstbau GmbH & Co. KG und eine schöne und besinnliche Weihnachtszeit mit einem guten Rutsch ins Neue Jahr. TECHNIK Heiko Tomshöfer, geboren 1970, ist Stahlbauingenieur, Schweißfachingenieur und Korrosionsschutzbeauftragter. Seit 1998 liegt sein Aufgabenschwerpunkt bei Sonderkonstruktionen in den Bereichen Traggerüstbau, Stahlbau und Mischkonstruktionen aus Arbeits- und Schutzgerüsten in Kombination mit Traggerüstelementen. 2016 gründete er das Ingenieurbüro Tomshöfer & Partner mit dem Motto „Aus der Praxis für die Praxis“. Das Dienstleistungsangebot hat den Schwerpunkt Statik und Konstruktion in allen Bereichen des Gerüstbaues inklusive Beratung, Schulung und der Möglichkeit, Sonderteile wirtschaftlich sinnvoll herzustellen. Tomshöfer + Partner • Dipl.-Ing. Heiko Tomshöfer Zu den Kämpen 2a • D-44791 Bochum • Tel. +49 234 5880733 info@ingenieure-am-werk.de • www.ingenieure-am-werk.de Anzeige GERÜSTE MADE IN PLETTENBERG Bereits mehr als 300.000 MJ OPTIMA-Stiele sorgen auf deutschen Baustellen für Sicherheit und Leichtigkeit im Gerüstbau. MJ OPTIMA 300.000-FACHE SICHERHEIT! JETZT DIREKT TERMIN VEREINBAREN SELBST NOCH NICHT DABEI? Lassen Sie sich das auf Ihr System zugeschnittene OPTIMA-Mustergerüst von unseren Technikern vor Ort vorführen. Abb. 11: Fachgerechtes Arbeitsgerüst mit geeignetem Höhenzugang und ausreichendem Arbeitsraum zur Durchführung bauseitiger Arbeiten.

12 06 / 2022 Baustellen imWinter So erkennen Sie kältebedingte Risiken und sorgen für eine sichere Arbeitsumgebung Früher wurden die meisten Baustellen bei Frost, Eis und Schnee für mehrere Monate in den Winterschlaf versetzt. Denn die wichtigsten Materialien, vorneweg der Zement, konnten der Kälte nicht ohne Verluste standhalten. Heute jedoch bleiben zahlreiche Baustellen dank der technischen Weiterentwicklung von Zement & Co. auch in der dunklen Jahreszeit in Betrieb. Das ist gut für Produktivität und Umsatz, birgt jedoch zusätzliche Gefahren für die Mitarbeiter*innen. Worauf müssen Bauunternehmen auf ihrer Winterbaustelle achten und wie mindern sie die wichtigsten Risiken. Schichtbeginn im frostigen Morgengrauen, Feierabend bei einbrechender Dunkelheit: Im Winter sorgt allein das abnehmende Tageslicht für veränderte Arbeitsbedingungen auf Baustellen. An manchen Tagen scheint es sogar permanent dämmrig zu bleiben. Hinzu kommen die Gefahren durch Frost, Kälte und Schnee. Deshalb brauchen SiGeKo und Bauleiter*in im Winter ein besonders aufmerksames Auge, wenn es darum geht, für maximale Sicherheit auf der Baustelle zu sorgen. Denn die größten Risiken der Winterbaustelle sind auf den ersten Blick oft gar nicht sichtbar. Baustellenwege auf Glätte prüfen Wer schon einmal auf Glatteis ausgerutscht ist, weiß, wie tief der Schrecken sitzt – denn wir stürzen meist nur dann, wenn wir die Glätte gar nicht bemerkt haben, weil sie für unser Auge nicht sichtbar war. Dieses Risiko ist vor allem morgens und abends besonders hoch, wenn Dämmerung herrscht und wir nicht erkennen können, ob der Untergrund lediglich nass oder bereits gefroren ist. Manchmal kann sich Glätte auch unter harmlos erscheinendem Laub oder einer dünnen Schicht Schnee verbergen. Für Baustellen gibt es keinen regulären, gemeindlich organisierten Winterdienst. Deshalb ist es unerlässlich, nach einer kalten Nacht zu prüfen, ob alle Flächen sicher betreten werden können, und sie gegebenenfalls entsprechend zu präparieren. Ein Eimer Streusalz sollte deshalb auch auf Kleinbaustellen immer vorrätig sein, um die wichtigsten Gehwege zu sichern. Tückisch wird Frost auch auf Metalloberflächen, etwa bei Gerüsten oder den Trittflächen von Leitern. Sie können extrem rutschig werden, wenn nach einer eisigen Nacht die Sonne herauskommt. Nicht nur deshalb sollten sie immer nur mit Profisohlen betreten und mit Arbeitshandschuhen angefasst werden. Denn gefrorenes Metall kann an der feuchten Haut kleben bleiben und beim Losreißen schmerzhafte Schürfwunden verursachen. Wintersichere Arbeitskleidung mit Reflektoren Auf der Winterbaustelle kann die richtige Ausrüstung Leben retten: Schuhe mit schneesicheren Profilsohlen sind ebenso essenziell wie die passenden Handschuhe, die die Finger nicht nur warm halten, sondern auch ihre Beweglichkeit garantieren und aus robusten, griffsicheren Materialien bestehen. Die S3 Sicherheitsschuhe gibt es beispielsweise auch mit einem Extra-Profil und einer dicken Fütterung. Sie hält die Füße selbst bei Minusgraden warm. Zusätzlich können Thermosocken zum Einsatz kommen, die den Isolationseffekt der Fütterung noch einmal verstärken. Auch die Kleidung sollte der winterlichen Kälte und Dunkelheit angepasst werden. Die so genannte High Visible Arbeitskleidung ist insbesondere im Bereich des Oberkörpers mit Hochleistungsreflektoren ausgestattet und bietet damit eine optimale Sichtbarkeit bei Schmuddelwetter und einbrechender Dämmerung. Wenn die Witterung ungemütlich wird, reicht der Helm außerdem oft nicht mehr aus, um den Kopf warm zu halten – und kühlt der Kopf aus, folgt nach und nach der gesamte Körper. Dünne Mützen aus atmungsaktivem Hightech-Material lassen sich problemlos unter dem Helm tragen und schützen die empfindlichen Ohren vor Zugluft und Feuchtigkeit. Wer auf der Baustelle mit leicht brennbaren Chemikalien zu tun hat oder sich häufig im Funkenflug befindet – etwa beim Schweißen –, sollte jedoch eine spezielle Mütze aus feuerfestem Material wählen. Eine gute Alternative zur Kombination von Helm und Mütze bieten Helme mit Styroporauskleidung im Inneren. Sie werden liebevoll als „Iglo-Helme“ bezeichnet und eignen sich für Menschen, die unempfindlich an den Ohren sind und denen es vollkommen genügt, wenn der Kopf ausreichend gewärmt wird. Thermokleidung als Sicherheitsfaktor Extrawarme Thermokleidung ist als Sicherheitsfaktor nicht zu unterschätzen. Ständiges Frieren mindert die Konzentration und raubt Energie. Der Organismus muss dann permanent auf Hochleistungstouren arbeiten, um seine Idealtemperatur zu halten. Frieren wir dauerhaft, kann sich rasch Erschöpfung und Müdigkeit einstellen, was wiederum zu einer höheren Fehleranfälligkeit führt. ARBEITSSICHERHEIT

Gleichzeitig ist es wichtig, beweglich zu bleiben. Am besten kleidet man sich bei niedrigen Temperaturen im Zwiebelprinzip und trägt als Basis leichte, wärmende Sportunterwäsche. Atmungsaktive Layer unter der Jacke machen jede Bewegung mit und transportieren den Schweiß schnell wieder nach außen ab. Beleuchtung der wichtigsten Wege Im Dezember wird es schon nachmittags dunkel, sodass unbedingt auf gut ausgeleuchtete Verkehrswege innerhalb der Baustelle geachtet werden muss. Sie sollten mit mindestens 20 Lux flächendeckend bestrahlt werden, um die Sicherheit des Teams gewährleisten zu können. Da moderne LED-Lampen keine Wärme entwickeln, müssen sie regelmäßig vom Schnee befreit werden, um in voller Stärke arbeiten zu können. Bei klassischen Lampen tauen Schnee und Eis mit der Zeit von alleine weg. Vor allem die Sicherheits- und Rettungswege einer Baustelle müssen in der Dämmerung bestens sichtbar sein. Die gefährlichsten Unfälle auf Baustellen sind ganzjährig in erster Linie Stürze – zum Beispiel von einem Gerüst, einer Leiter oder auch hinab in eine Grube. Diese Gefahr potenziert sich in den Wintermonaten um ein Vielfaches. Deshalb muss morgens immer genügend Zeit eingeplant werden, um die Gerüstflächen von Eis und Schnee zu befreien und die gesamte Ausrüstung genauer unter die Lupe zu nehmen. Löcher, die mit Brettern abgedeckt wurden, sollten zusätzlich gekennzeichnet werden. Schnee verändert die gesamte Optik der Baustelle, da er sich wie eine dicke weiße Decke über den Untergrund legt und alles „gleich“ aussehen lässt. Das heißt: Sind die Löcher und Gruben nicht extra gekennzeichnet, besteht die Gefahr, dass ein/e Mitarbeiter*in auf den Holzplanken ausrutscht oder versehentlich mit einem schweren Baustellenfahrzeug darüber fährt und einbricht. Beheizte Pausenräume und Toiletten Zum Arbeitsschutz gehört auch der Schutz des Immunsystems. Wer in der Kälte arbeitet, muss die Möglichkeit haben, sich in den Pausen aufzuwärmen. Deshalb ist es gesetzlich vorgeschrieben, dass die Pausenräume in den Baucontainern eine Temperatur von 21 Grad haben müssen. Überdies sollten sie Möglichkeiten bieten, nasse Jacken zum Trocknen aufzuhängen. Die Toiletten und Waschräume sollten ebenfalls beheizt werden. Die Baustellenmitarbeiter*innen sollten dazu ermuntert werden, alle körperlichen Symptome, die auf eine Unterkühlung hinweisen, ernst zu nehmen und sich bei wiederholtem Husten und Niesen krankzumelden – auch und insbesondere zum Schutz der Kolleg*innen. ARBEITSSICHERHEIT Anzeige www.promaintain.de Ob Logo, Bildmarke oder Text! Bestellen Sie noch heute Ihre individuellen Schablonen und drücken Sie schon bald demMaterial Ihren persönlichen Stempel auf. Gerüstmarkierung modern & individuell kostengünstig & ressourcenschonend Mit unserer Lösung Gerüstbauteile schnell & einfach selbst markieren. INDIVIDUELLE SCHABLONEN Wir machen farbige Gerüstmarkierung einfach! Jetzt bestellen! E-Mail: 3d-druck@promaintain.de Tel.: 0841 / 9000 68 40 SicherheitsIngenieur.NRW • Donato Muro Grüner Weg 56 • 40229 Düsseldorf d.muro@sicherheitsingenieur.nrw https://sicherheitsingenieur.nrw/ Donato Muro ist studierter Jurist, angehender Arbeitspsychologe, Ingenieur, Naturwissenschaftler und mehrfacher Firmeninhaber. Seine Kompetenzen liegen im Sicherheits- und Brandschutzbereich in der Chemie. Er möchte den Arbeitsschutz so einfach und verständlich wie möglich vermitteln, um rechtssicheres Handeln zu fördern.

14 06 / 2022 Faszination Gerüstbau Interviewmit Robert Meyer „Heute schon an den Gerüstbau von morgen denken.“ Dieses Leitbild prägt die Philosophie von RO² Gerüstbau. Nicht zuletzt deshalb macht das Unternehmen aktuell als Deutschlands erster klimaneutraler Gerüstbauer auf sich aufmerksam. Geschäftsführer Robert Meyer erzählt im Interview über die Herausforderungen in der Branche, über die Kunst Mitarbeiter*innen zu finden und zu binden sowie über seine konsequent auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Vision. DER GERÜSTBAUER: Wie hat sich Ihr Unternehmen in Bezug auf die Unternehmensgröße und das Leistungsportfolio über die Jahre entwickelt? Robert Meyer: Gestartet mit drei Mann und einem Lkw im Jahr 2004, waren die ersten beiden Jahre sehr hart. Danach hat sich zum Glück der Markt, der von der Baukrise gebeutelt war, erholt und ab diesem Zeitpunkt ging es auch für uns bergauf. So konnten wir von Jahr zu Jahr unseren Umsatz und die Mitarbeiterzahl verdoppeln. Eigentlich wollten wir ursprünglich nicht mehr als 10 Mitarbeiter in unseren Reihen haben, sind mittlerweile jedoch ein Team von 50 Personen und mit einem großen Fuhrpark ausgestattet. Der Ursprung des Unternehmens war schon vor unserer Selbstständigkeit der Spezialgerüstbau. Das wollten wir so weiterführen und uns darüber weiterhin in der Region abheben. Das Tagesgeschäft bildet auch heute noch, wie in den meisten Betrieben, die Einrüstung von Fassaden, aber wir möchten unserenMitarbeitern so oft es geht die Möglichkeit bieten, Sondergerüste zu bauen. DER GERÜSTBAUER: Wie unterscheidet sich RO² Gerüstbau im Vergleich zu anderen Unternehmen in Ihrer Region? Robert Meyer: Wir haben eine klare Vision und denken schon heute an den Gerüstbau von morgen. Da ich bereits 50 bin, tätigen wir unsere Investitionen ausschließlich für die zukünftige Generation. Deswegen ist auch das Thema Nachhaltigkeit so wichtig. Wir wollen in unterschiedlichen Bereichen eine Vorreiterrolle einnehmen. Sei es in puncto Sicherheit, Mitarbeiterbindung und in Bezug auf unser Gerüstmaterial. Uns ist es wichtig, möglichst alles über die eigene Mannschaft abzuwickeln, um unserem hohen Qualitätsanspruch gerecht zu werden. Der Qualitätsanspruch und das Erscheinungsbild ziehen sich konsequent durch. Das sieht man nicht zuletzt auch an unserer Website und an unseren Social-Media-Aktivitäten. DER GERÜSTBAUER: Was fasziniert Sie am Gerüstbau? Robert Meyer: Der Weg von der Idee über die Zeichnung, hin zum fertigen Gerüst begeisterte mich schon früh. Außerdem faszinieren mich die Menschen im Gerüstbau. Das sind einfach ehrliche Leute. Unser Handwerk ist was Tolles. Abends zu sehen, was man tagsüber geschaffen hat und dabei noch dafür verantwortlich sein zu dürfen, dass andere Gewerke ihre Arbeit sicher verrichten können, ist großartig. Diese Faszination konnte ich zum Glück auch an meinen Sohn weitergeben und darauf bin ich sehr stolz. DER GERÜSTBAUER: Gibt es für Sie eine Art „Herzensprojekt“, das Sie in der Vergangenheit realisiert haben oder an dem Sie aktuell arbeiten? Robert Meyer: Mein Herzensprojekt ist nicht die „eine“ Baustelle, sondern die Zukunft von RO² Gerüstbau. Wir haben viele großartige Projekte über die Jahre hinweg realisiert. Aber mein Herzensprojekt ist es, den Betrieb für die Zukunft zu rüsten. Denn die größte Herausforderung unserer Branche ist der Nachwuchs- und Fachkräftemangel. Deswegen binde ich meine Mitarbeiter sowohl bei der Entscheidung zum Wechsel auf das PERI UP Gerüstsystem als auch bei der nachhaltigen Ausrichtung unseres Unternehmens intensiv mit ein. Denn in meinen Augen wird es uns nur mit einer fortschrittlichen Denk- und Handlungsweise auch in Zukunft gelingen, auf dem sich immer weiter eingegrenzten Markt Mitarbeiter zu finden. UNTERNEHMENSFÜHRUNG „Heute schon an den Gerüstbau von morgen denken.“ Das ist das Leitbild von Robert Meyer und RO² Gerüstbau.

DER GERÜSTBAUER: Welche Veränderungen möchten Sie in Ihrer Funktion als Landesbevollmächtigter für Berlin erwirken? Robert Meyer: Ich trage dieses Amt, um Verantwortung für die Branche zu übernehmen und das Image weiter zu verbessern. Ebenso ist es mir ein Anliegen, dass möglichst alle Gerüstbauunternehmen ausbilden und damit dem Beruf die Wichtigkeit zukommen lassen, die ihm gebührt. Ich unterstütze es als Landesbevollmächtigter sehr, dass Gerüste sicherer gebaut werden und dadurch die Wertschätzung für das eigene Team und die nachfolgenden Gewerke zum Ausdruck kommt. Ich setze mich außerdem für eine Steigerung der Ergonomie auf den Baustellen ein und investiere in innovative Lösungen wie z. B. das Alimak STS 300 Gerüsttransportsystem. DER GERÜSTBAUER: Ihr Unternehmen gilt als Deutschlands erster klimaneutraler Gerüstbaubetrieb: Welche Maßnahmen führt Ihr Unternehmen durch, um diesem Ruf gerecht zu werden? Robert Meyer: Nachdem wir bei RO² in einem Status Quo unseren CO2 Abdruck ermittelten, sind daraus eine Vielzahl von Maßnahmen entstanden. Angefangen von kleinen, wie z. B. den Aufbau von Bienenstöcken, die auf unserem Gelände zu finden sind, bis hin zu größeren, wie der Umstellung unseres Fuhrparks auf nachhaltige Antriebe. Da wir mit PERI, also einem klimaneutralen Hersteller arbeiten, konnten wir die Position des Gerüstmaterials in unserer Klimabilanz streichen. Wir arbeiten nahezu papierlos – Visitenkarten gibt es beispielsweise nur noch digital – und führen firmeninterne Ideenwettbewerbe durch. So holen wir auch unser Team dazu ab und prämieren die besten Ideen. Früher gab es zu Weihnachten einen großen Präsentkorb für unsere Geschäftspartner, heute den klimaneutral produzierten Honig. So gehen wir mit der Zeit, gestalten die Zukunft und damit sind wir Deutschlands erster klimaneutraler Gerüstbauer. Die Klimaneutralität unseres Betriebs wurde offiziell von der Dekra zertifiziert. DER GERÜSTBAUER: Was war für Sie ausschlaggebend bei der Entscheidung zur Investition in PERI UP? Robert Meyer: Zum ersten Mal mit PERI in Berührung gekommen sind wir beim Neubau des Müllbunkers im Heizkraftwerk Ruhleben, als wir dort die PERI UP Traggerüste stellten. Mit der Einführung der Stielvariante für die Fassade war klar, dass wir uns dauerhaft mit diesem System auseinandersetzen sollten. PERI war der erste Hersteller, der sich traute, den Rahmen für viele Montagesituationen in Frage zu stellen. Die Logistik ist mit dem Easy Stiel deutlich besser. Der Auslöser zum Wechsel war aber auch zu einem gewissen Teil personenbezogen. Denn wir können auf einen Fachberater zurückgreifen, der ein großes Know-how mitbringt, uns zur Seite steht und auf Augenhöhe kommuniziert. Made in Germany ist und war für uns ebenfalls ein Kriterium und wir sehen PERI auch als einen Teil unseres Gesamtkonzeptes, wenn es um das Thema Nachhaltigkeit geht. DER GERÜSTBAUER: Gibt es Merkmale, die Sie besonders vom PERI UP Gerüstbaukasten überzeugen? Robert Meyer: Ich fand die Idee und die Vermarktung mit dem Baukasten zunächst eher abgedroschen bis ich – und so sehen es auch meine Mitarbeiter – sah, dass es sich tatsächlich um einen gesamtheitlichen Baukasten handelt. Wir versuchen, an unseren Gerüsten in möglichst vielen Situationen Kupplungen zu sparen und das ist mit dem PERI UP Gerüstbaukasten möglich. UNTERNEHMENSFÜHRUNG Anzeige www.peri.de Schalung Gerüst Engineering Jetzt zu PERI UP wechseln! Der PERI UP Gerüstbaukasten hat es in sich: - Ein System für fast alle Anwendungen - Unterstützung durch unsere Experten - Einfache Planung mit den PERI Tools Wir nehmen Ihnen Ihr bisheriges Material zu attraktiven Konditionen ab. Alle Vorteile unter www.geruestbaukasten.de Bei PERI steckt mehr drin. Optimaler Service und umfangreiches Know-How. Ro2 GmbH & Co.KG Zobtener Straße 73 • D-10317 Berlin Tel. +49 30 515 888 0 • www.ro2-geruestbau.de

16 06 / 2022 Gehälter transparent und verständlich gestalten Walter Stuber: „Wir haben zu viele Sonderleistungen“ Bei Gemeinhardt Service verdienen alle Mitarbeiter*innen über dem Tariflohn. Dabei zahlen die beiden Geschäftsführenden Gesellschafter Walter Stuber und Dirk Eckart eigentlich knapp unter Tarif. Doch mit einem Bonusprogramm wächst die Lohntüte der Gerüstbauer*innen: Angefangen, dass die Fahrstunden auf Baustellen im Stundenlohn bezahlt werden über Vermögenswirksame Leistungen und Zuschüsse zum Kindergartenplatz bis zur Vermittlungsprämie für neue Kolleg*innen – für Gerüstbauer 3.000 Euro, für Kolonnenführer sogar 6.000 Euro. Letztlich können die Mitarbeiter*innen ihren Wunschlohn selbst bestimmen, in dem sie freiwillige Aufgaben übernehmen. 40 Punkte umfasst der Katalog gegenwärtig. „Viel zu kompliziert“, stellt Stuber allerdings selbstkritisch fest. Denn sogar seine 42 Mitarbeiter*innen verstehen die Lohnabrechnung teilweise nicht vollständig. Viel schlimmer: Bewerber*innen trauen dem System nicht, wollen von vornherein lieber ein festgeschriebenes Gehalt und sagen dem Spezialgerüstbauer als potentiellem Arbeitgeber wieder ab. „Unsere Idee war, die Leistung und das Engagement der Mitarbeiter*innen zu belohnen“, erzählt der 61-jährige Unternehmer, denn auch Weiterbildung, Sportkurse oder Nichtrauchen werden finanziell gefördert. So steht der Gerüstbauer aus dem sächsischen Roßwein im Ruf, dass dort hart gearbeitet, aber auch gut verdient wird. Schon die Azubis erhalten rund 200 Euro mehr als tariflich festgeschrieben. Das Konstrukt hat über viele Jahre auch gut funktioniert: Als Spezialgerüst- bauer war das Unternehmen interessant für leidenschaftliche Gerüstbauer*innen, und zwar nicht nur wenn sie direkt aus Sachsen kamen. Fast alle Fachkräfte sind ausgebildet, darunter ein Meister und acht Kolonnenführer. Qualität, die Gemeinhardt Service für seine außergewöhnlichen Aufträge benötigt. Doch das Führungsduo Stuber und Eckart erkennt, dass der Fachkräftemangel nun auch ihr Unternehmen erreicht. Umso ärgerlicher, wenn interessierte Bewerber*innen das Gehaltssystem nicht verstehen oder nicht akzeptieren. „Wir werden etwas daran ändern und die Entlohnung transparenter und verständlicher gestalten“, sind sich die Geschäftsführer einig. Karl-Heinz Vossenkuhl kann verstehen, dass Mitarbeiter*innen oder Bewerber*innen zunächst ein sicheres und gutes Gehalt haben wollen. Erst dann seien weitere Zusatzkomponenten interessant. Der Unternehmensberater und Managementtrainer war zehn Jahre Wirtschaftsförderer in der Handwerkskammer Konstanz, ehe er sich 1998 selbständig machte und seitdem auch viele Handwerksbetriebe unterstützte. Seine These: „Wenn Inhaber*innen ihre Mitarbeiter*innen zu Leistung motivieren wollen, müssen sie sie an der Ausrichtung und Unternehmensvision beteiligen“. Etwa sollte die Geschäftsführung mit den leitenden Angestellten ein Wertesystem einführen. Letzte tragen diese Werte dann in ihre Abteilungen und Teams: „Dann hat der/die Unternehmer*in seine/ihre Mannschaft hinter sich, egal, ob es um Arbeitsleistung geht, Weiterbildung oder ein Gehaltsgefüge.“ Das könne man nicht ausschließlich von oben her bestimmen. Für Vossenkuhl ist auch klar, dass es in einem Unternehmen einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess (KVP) geben müsse. UNTERNEHMENSFÜHRUNG

Beispielsweise müssten die Arbeitsabläufe ständig überprüft und verbessert werden. Das müsse in Fleisch und Blut der Mitarbeiter*innen übergehen. „Das passiert allerdings nur, wenn sie beteiligt sind und selbst einen Gestaltungsspielraum erhalten.“ Auch Sandro Rende hat mit Zusatzleistungen für seine Mitarbeiter*innen experimentiert und stellte fest, dass manche seiner 67 Mitarbeiter*innen selbst nach fünf, sechs Jahren im Betrieb etwa nichts von der Gesundheitsprämie wussten. Der Geschäftsführer von Gebrüder Rende Gerüstbau zahlt deshalb den Tariflohn und bietet sechs Zusatzleistungen an. Dazu gehört eine Gesundheitsprämie: bis zu 1.400 Euro zusätzlich erhalten Mitarbeiter*innen, wenn sie wenig krank sind. Es gibt eine Erfolgsprämie, wenn der Jahresabschluss des gesamten Betriebes im Plus ist. Und den Arbeitsschutz verbessert er, weil er zusätzlich Geld in die Hand nimmt, wenn keine Arbeitsunfälle passieren. Der 41-jährige Saarländer führt sein Unternehmen seit knapp 20 Jahren. Es ist vor allem für die Industrie tätig. „Das bedeutet viele Nacht- und Wochenendschichten für meine Mitarbeiter*innen, weil ein Produktionsstopp oder Einschränkungen für unsere Kund*innen selten akzeptabel sind“, so der Gerüstbaumeister. Auch da ist er tariflich gebunden und zahlt die üblichen Zulagen. „Es ist meine Aufgabe, dass die Mitarbeiter*innen ihren Lohn verstehen“, so Rende. Zum einen schafft er dafür hohe Transparenz, zum anderen müsse er die Lohnzahlungen eben so lange erklären, bis jeder sie verstanden hat. Manche nutzen die sich bietenden Gelegenheiten umtriebig und geschäftig. Der Chef zahlt 1.500 Euro, wenn jemand aus dem Betrieb einen neuen Kollegen anwirbt. Neun Mal musste Sandro Rende einem Mitarbeiter eine Sonderprämie zahlen: „Das ist auch sonst ein Guter.“ Autor: Jens Gieseler UNTERNEHMENSFÜHRUNG Sandro Rende zahlt Tariflohn und bietet sechs Zusatzleistungen an, darunter etwa eine Gesundheits- und eine Erfolgsprämie, wenn Gebrüder Rende Gerüstbau im Plus liegt. Bei Gemeinhardt Service können alle Mitarbeiter*innen einen übertariflichen Lohn erhalten. Doch das 40-Punkte-Programm findet Walter Stuber nicht transparent genug. Anzeige ® Vom Gerüstbauer, für Gerüstbauer WDVS-Ankersystem HD-SAS Temporäres Verankern von Gerüstkonstruktionen Abstand L= 80mm, Kraft parallel zur Fassade F = 6,12 – 10,40 KN (Abhängig vom Untergrund) Abstand L = 190mm, Kraft parallel zur Fassade F = 2,63 – 4,50 KN (Abhängig vom Untergrund) Abstand L = 240mm, Kraft parallel zur Fassade F = 2,10 – 3,55 KN (Abhängig vom Untergrund) Abstand L = 330mm, Kraft parallel zur Fassade F = 1,52 – 2,57 KN (Abhängig vom Untergrund) www.gelog-system.de • Tel.: 02935-9686790 • Fax: 02935-9686791 • info@gelog-system.de Schnell-Sicher-Sauber

18 06 / 2022 Arbeitsgerüst vs. Schutzgerüst Rechtliche Darstellung einer klassischen Abrechnungsproblematik Die unterschiedliche Abrechnungsweise von Arbeitsgerüsten und Schutzgerüsten ist schon lange ein umstrittenes Thema im Gerüstbau und in der Praxis von hoher Relevanz. Grund genug für eine kurze Aufbereitung aus juristischer Sicht, die dabei helfen soll, entsprechende Abrechnungsprobleme im Betriebsalltag besser zu handhaben. Ausgangspunkt der Betrachtung ist die ATV DIN 18451, die im Bereich der öffentlichen Vergabe von Gerüstbauleistungen immer und im privaten Auftragsbereich in der überwiegenden Zahl der Fälle Vertragsgrundlage ist. Bezüglich der Abrechnung von Arbeitsgerüsten und Schutzgerüsten enthält die DIN 18451 in Abschnitt 5 zwei unterschiedliche Abrechnungsmodalitäten: Gemäß Abschnitt 5.2.1 wird bei Arbeitsgerüsten die abrechenbare Länge in der größten horizontalen Abwicklung der eingerüsteten Fläche und die Höhe von der Standfläche des Gerüstes bis zur höchsten Stelle der eingerüsteten Fläche gerechnet, maximal bis 2 m über der obersten Belagfläche. Für die Abrechnung von Schutzgerüsten nach Flächenmaß bestimmt Abschnitt 5.2.3.1, dass die technisch erforderliche Länge nach DIN 4420-1 in der größten Abwicklung an den Gerüstaußenseiten und die Höhe von der Standfläche des Gerüstes bis 2 m über der obersten Belagfläche gerechnet wird. Kurz gesagt, erfolgt die Abrechnung bei Arbeitsgerüsten also auf Basis des Ausmaßes der eingerüsteten Bauwerksfläche, während bei der Abrechnung von Schutzgerüsten die längste horizontale bzw. höchste vertikale Gerüstabwicklung maßgeblich ist. Das Abrechnen der technisch erforderliche Länge nach DIN 4420-1 bzw. der Höhe bis 2 m über Belagsfläche bei Schutzgerüsten ermöglicht Gerüstbauer*innen eine direkte Abrechnung des eingesetzten Materials. Denn davon umfasst ist z. B. auch der nach Abschnitt 7.1 DIN 4420-1 vorgeschriebene, 1,00 m breite Seitenüberstand bei Fang- und Dachfanggerüsten bzw. der Seitenüberstand von 0,60 m bei Schutzdächern sowie eine über die höchste Stelle der eingerüsteten Fläche hinausgehende Schutzwand. Gerüstbauer*innen, die entsprechende, über die Bauwerksfläche hinausgehende Elemente montieren, haben daher ein berechtigtes Interesse daran, das Schutzgerüst auch als solches abzurechnen, da sie ansonsten nur bis zur Bauwerkskante abrechnen können und darüber hinaus „leer ausgehen“ würden. Dass in der Praxis um diese Thematik so häufig Streit entsteht, liegt an der Vertragsfreiheit, die es Auftraggeber*innen und Auftragnehmer*innen ermöglicht, von den Abrechnungsgrundsätzen der DIN 18451 abzuweichen und dadurch eigene Abrechnungsregeln zu schaffen. Hinzu kommt, dass in den Positionen von Leistungsverzeichnissen verschiedene Gerüstarten und ihre „Wesensmerkmale“ (z. B. Verwendungszweck, zugehörige technische Normen) häufig durcheinandergewürfelt werden. Da die Gerüstartbezeichnung und diese „Wesensmerkmale“ jedoch wichtige Hinweise auf die von den Vertragsparteien gewollte Abrechnungsart darstellen, wird eine eindeutige Zuordnung der Abrechnungsart bei Vermischung dieser Kriterien erschwert. In der Praxis häufig anzutreffen sind z. B. Positionen wie die folgende: Pos. 01 Arbeits- und Schutzgerüst Auf-, Um- und Abbau/ Grundeinsatzzeit Arbeits- und Schutzgerüst nach DIN EN 12811-1, DIN 4420-1 zur Durchführung von Rohbau-, Maurer-, Maler- und Dachdeckerarbeiten […]; Abrechnung nach VOB Solche Positionen sind doppeldeutig, da sie in gleichem Maße Angaben zu einem Arbeits-, wie auch einem Schutzgerüst enthalten. Für den Betrachter ist deshalb nicht klar, welche Gerüstart und somit auch welche Abrechnungsweise als vereinbart gelten soll. Zusätzliche Abrechnungshinweise wie „Abrechnung nach Gebäudefläche“ oder „Abrechnung nach Gerüstaußenmaß“, die Klarheit schaffen könnten, sind nur selten zu finden. RECHT Die kostengünstige Alternative zum Daueranker: Der temporäre Gerüstanker für große Wandabstände! Tel. 05247- 4044614 • info@felsuma.de • www.felsuma.de Anzeige

Diese Doppeldeutigkeit ist in Bezug auf die bauliche Durchbildung des Gerüstes – das aus technischer Sicht gleichzeitig als Arbeits- und als Schutzgerüst erstellt werden kann – nicht von Bedeutung. Mit Blick auf die Abrechnungsart ist sie jedoch ein Problem. Denn eine „vermischte Abrechnung“ ist nach der DIN 18451 nicht vorgesehen, ein Gerüst bzw. einzelne Gerüstabschnitte sind immer nur entweder als Arbeitsgerüst oder als Schutzgerüst abrechenbar. In diesen Fällen doppeldeutiger bzw. gemischter Leistungspositionen muss daher stets eine Lösung gefunden werden, wie das Gerüst abzurechnen ist – als Arbeitsgerüst nach Abschnitt 5.2.1 oder als Schutzgerüst nach Abschnitt 5.2.3 DIN 18451. Diese Lösung heißt: Vertragsauslegung. Auslegung bedeutet in diesem Kontext, den Inhalt der Vertragsvereinbarungen zu ermitteln, da dieser nicht klar und deutlich aus dem Wortlaut des Vertragstextes hervorgeht. Diese Ermittlung erfolgt in der Rechtslehre nach bestimmten Methoden, bei denen vor allem die Begleitumstände, wie z. B. Sinn und Zweck einer vertraglichen Regelung, oder der Gesamtzusammenhang, in dem die Vertragsklauseln stehen, eine Rolle spielen. Veranschaulicht werden sollen diese Auslegungsmethoden anhand folgender praxisnaher Fallkonstellationen (Achtung: die Lösungen der Beispielfälle haben keine Allgemeingültigkeit und können eine Rechtsberatung im Einzelfall nicht ersetzen; von der Rechtsansicht des Verfassers abweichende Auffassungen sind vertretbar): Beispiel Pos. 01 Arbeits- und Schutzgerüst […] zur Durchführung von Dachdeckerarbeiten […] Hier kann der angegebene Verwendungszweck als Indiz für die einheitliche Abrechnung des Gerüstes als Schutzgerüst gewertet werden. Da das Gerüst zur Durchführung von Dachdeckerarbeiten dienen soll, kann ein objektiver Betrachter der Vertragsvereinbarung darauf schließen, dass es sich um ein Fang- bzw. Dachfanggerüst handelt und folglich als solches abzurechnen ist. Hinweis: Ein weiteres Indiz kann auch die Bezugnahme auf eine gerüstartbezogene technische Norm sein, wie z. B. auf DIN 4420-1 als Hinweis auf ein Schutzgerüst oder auf DIN EN 12811-1 als Hinweis auf ein Arbeitsgerüst. Beispiel Pos. 01 Arbeits- und Schutzgerüst […] Pos. 03 Dachfanggerüst […] Ausbau des Gerüstes nach Pos. 01 zum Dachfanggerüst […] Die getrennte Ausschreibung der „Schutzgerüstleistung Dachfanggerüst“ ist ein deutliches Signal an den objektiven Betrachter, dass das Gerüst abrechnungstechnisch in zwei eigenständige Bereiche, nämlich ein Arbeitsgerüst und ein Schutzgerüst unterteilt ist (ähnlich auch AG München, Urteil v. 09.09.2020, Az. 261 C 12759/20). Sofern die Vertragsparteien das gesamte Gerüst als Schutzgerüst hätten abrechnen wollen, hätte es keinen Grund gegeben, den Ausbau zum Dachfanggerüst im Leistungsverzeichnis separat aufzuführen. Beispiel (vgl. oben) Pos. 01 Arbeits- und Schutzgerüst Auf-, Um- und Abbau/ Grundeinsatzzeit Arbeits- und Schutzgerüst nach DIN EN 12811-1, DIN 4420-1 zur Durchführung von Rohbau-, Maurer-, Maler- und Dachdeckerarbeiten […] Abrechnung nach VOB RECHT Anzeige Das Großseminar in Hannover hat gezeigt: wir brauchen den digitalen Wandel jetzt. Ohne Investition geht es nicht: Sie brauchen Zeit, Training und Mitarbeitermotivation. Es lohnt sich. macht den Start sicher: vollständig | einfach | schnell | transparent

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